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Der Aufsehen erregende Vergewaltigungsprozess von Avignon soll nach dem Willen des Opferanwalts in die Geschichte eingehen und den Blick der Gesellschaft auf sexuelle Gewalt ändern. Es sei zu hoffen, dass der Prozess dazu beitrage, "die in der männlichen Vorstellung verankerte Idee zu ändern, dass der Körper der Frau ein Objekt der Eroberung sei", sagte Gisèle Pelicots Anwalt am Mittwoch in der französischen Stadt.
"Vergewaltigungen haben in Frankreich noch nie so viel Abscheu erregt, gleichzeitig sind sie so stark verbreitet wie nie zuvor", sagte Anwalt Stéphane Babonneau. Er warf den Angeklagten vor, nicht zu ihren Taten zu stehen. Viele der insgesamt 51 Angeklagten hatten argumentiert, sie hätten geglaubt, sich an einem sexuellen Spiel eines freizügigen Paares zu beteiligen, in dem die Frau sich schlafend stelle.
Dominique Pelicot hatte gestanden, dass er über zehn Jahre hinweg seine Frau regelmäßig mit Schlafmitteln betäubt und teils allein, teils gemeinsam mit Fremden vergewaltigt hatte. Die Ermittler gehen von 200 Vergewaltigungen aus. Seine Mitangeklagten hatte er in Internetforen kontaktiert und ihnen dort seine Frau zur Vergewaltigung angeboten. Nicht alle mutmaßlichen Vergewaltiger, die auf Fotos oder Videos zu sehen waren, konnten identifiziert werden. Von den 51 Angeklagten haben mittlerweile 33 einen Antrag auf die Anerkennung eines "beeinträchtigten Urteilsvermögens" gestellt.
Babonneau wandte sich in seinem Plädoyer auch direkt an seine Mandantin: "Gisèle Pelicot, Sie sind weit über alle Erwartungen hinausgegangen, und sie vermachen der nächsten Generation ein wichtiges Erbe", erklärte er. Ihr ausdrücklicher Verzicht auf einen Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit sei eine "nahezu politische Geste".
Der Fall hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faser (SPD) zeigte sich "sprachlos und betroffen". Gisèle Pelicot sende "eine Botschaft an weibliche Opfer sexualisierter Gewalt", betonte sie im Onlinedienst X. "Die Scham muss das Lager wechseln."
Am Vormittag hatte der Hauptangeklagte Dominique Pelicot sich in seiner Abschlusserklärung vor Gericht reumütig gezeigt. "Ich hatte keine Ahnung, dass ich ihnen so viel Leid angetan habe", sagte er mit Blick auf seine Familie. "Ich bedaure, was ich getan habe."
Pelicot wandte sich auch direkt an seine Tochter Caroline, die ihrem Vater vorwirft, sie - wie ihre Mutter - mit Medikamenten betäubt und missbraucht zu haben. "Ich kann ihr nicht das Gegenteil beweisen", sagte er. "Es fällt mir schwer, sie so zu sehen, ich möchte mit ihr darüber reden", begann der Angeklagte, bevor seine Tochter ihm von der anderen Seite des Gerichtssaals aufgebracht das Wort abschnitt. "Gib es doch zu, vor diesem Gericht", schrie sie ihn an. "Ich werde Dich niemals wiedersehen. Du wirst allein zugrunde gehen. Wie ein Hund."
Von Montag bis Mittwoch soll die Staatsanwaltschaft ihre Plädoyers halten, anschließend sind die Anwälte der Angeklagten an der Reihe. Das Urteil soll spätestens am 20. Dezember fallen.
F.E.Ackermann--NZN