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Zum Auftakt eines neuen Gerichtsprozesses hat der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny bekräftigt, dass er seinen Kampf gegen den Kreml fortsetzen will. "Ich werde weiterkämpfen", erklärte er am Dienstag in einem provisorischen Gerichtssaal in der Strafkolonie in Pokrow, in der er seit rund einem Jahr inhaftiert ist. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Außenminister Antony Blinken kritisierten das Vorgehen der russischen Justiz.
Nawalny erschien in dem Gerichtssaal in einer Häftlingsuniform und kurzgeschorenem Haar. Begleitet wurde er von seinen Anwälten sowie mehreren Wachleuten. Wie auf einem Video aus dem Saal zu sehen war, nahm auch Nawalnys Frau Julia Nawalnaja an der Anhörung teil. In einer Pause konnte Nawalny sie in den Arm nehmen.
Die russischen Behörden hätten "Angst vor dem, was ich sagen werde", sagte Nawalny. Deshalb werde der Prozess hinter verschlossenen Türen in der Strafkolonie abgehalten. "Ich wurde in diesem Fall noch nicht schuldig gesprochen, aber sie lassen mich in der (Häftlings-)Uniform auftreten, damit die Großmutter, die mich im Fernsehen sieht, denkt: 'Nun ja, er ist ja sowieso im Gefängnis.'"
"Sie werden meine Strafe auf unbestimmte Zeit erhöhen", sagte der 45-Jährige zu den Richtern. "Aber was können wir schon dagegen tun? Was die Menschen tun, ist wichtiger als das Schicksal einer einzelnen Person. Ich habe keine Angst."
Nawalny sitzt bereits eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen Betrugs in der rund hundert Kilometer östlich von Moskau gelegenen Strafkolonie ab. In dem neuen Verfahren geht es um die angebliche Veruntreuung von Spendengeldern in Höhe von umgerechnet vier Millionen Euro durch Nawalny. Die mögliche Höchststrafe für den Tatbestand beträgt in Russland zehn Jahre Haft. Nawalnys Anwältin Olga Michailowa wies die Vorwürfe zurück und sprach von "politischer" Verfolgung.
Bei seinem Besuch in Moskau bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz die deutsche Kritik an der Inhaftierung Nawalnys. "Mit rechtsstaatlichen Grundsätzen ist seine Verurteilung nicht vereinbar", sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Russlands Präsident Wladimir Putin. Scholz kritisierte außerdem das Verbot der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial Ende vergangenen Jahres.
US-Außenminister Blinken äußerte sich "beunruhigt über die zweifelhaften neuen Anschuldigungen" gegen den russischen Oppositionspolitiker. Auf Twitter forderte Blinken seine Freilassung und die Einstellung des Verfahrens. Außerdem sollten die Behörden "die Schikanen und die Verfolgung seiner Unterstützer beenden".
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte den Prozess als Farce. Es handele sich um ein "Scheinverfahren, an dem statt Medien Gefängniswärter teilnehmen". Es sei "offensichtlich, dass die russischen Behörden sicherstellen wollen, dass Nawalny das Gefängnis so bald nicht verlassen wird".
Die Nawalny-Vertraute Maria Perwtschich warf den russischen Behörden vor, den Prozessbeginn absichtlich während der Woche "der größten Spannungen in der Ukraine-Krise" angesetzt zu haben. Ziel der Behörden sei es, Nawalnys Strafe drastisch zu verlängern, "während alle durch etwas Größeres abgelenkt sind", schrieb sie im Onlinedienst Twitter.
Auf Nawalny war im August 2020 in Russland ein Anschlag mit einem Nervengift aus sowjetischer Produktion verübt worden, den er nur knapp überlebte. Nach mehrmonatiger medizinischer Behandlung in Deutschland kehrte Nawalny im Januar vergangenen Jahres nach Russland zurück, wo er umgehend festgenommen wurde. Nawalny macht den russischen Präsidenten Putin für seine Vergiftung verantwortlich. Der Kreml weist die Vorwürfe zurück.
Seit seiner Inhaftierung gehen die russischen Behörden massiv gegen Nawalnys Unterstützer vor. Seine Regionalorganisation sowie seine Anti-Korruptionsstiftung wurden verboten. Nawalny selbst sowie einige seiner Mitstreiter wurden im Januar auf eine offizielle Liste von "Terroristen und Extremisten" gesetzt.
Ch.Siegenthaler--NZN