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In England hat der geplant längste Streik am Stück in der 70-jährigen Geschichte des britischen Gesundheitsdienstes NHS begonnen: In den englischen Krankenhäusern legten Assistenzärzte am Mittwochmorgen ihre Arbeit nieder, ganze sechs Tage lang soll der Arbeitskampf dauern. Es ist bereits der zweite Streik innerhalb von zwei Wochen in der seit Monaten anhaltenden Tarifauseinandersetzung. Der medizinische Direktor des NHS, Stephen Powis, rechnet mit "einem der schwierigsten Jahresanfänge" in der Geschichte des Gesundheitsdienstes.
Der Arbeitskampf fällt in eine der arbeitsreichsten Zeiten des Jahres. Traditionell verzeichnet die NHS in den zwei Wochen nach Weihnachten einen Anstieg von Einlieferungen in Krankenhäuser, da die Menschen ihre Behandlung wegen der Festtage aufschieben. Zudem ist der Arbeitsdruck wegen winterlicher Atemwegserkrankungen hoch. Der Streik werde "erhebliche Auswirkungen auf fast alle Routinebehandlungen" haben, erklärte der NHS.
Vor einem Krankenhaus in London hielten streikende Mediziner Schilder hoch, auf denen sie etwa eine bessere Finanzierung des NHS forderten. "Viele Ärzte ziehen nach Australien, nicht nur wegen der Bezahlung, sondern auch, weil die Work-Life-Balance besser ist", sagte die 28-jährige Ärztin Georgia Blackwell. "Andere Länder verstehen, dass Ärzte hier nicht angemessen bezahlt werden und sie machen viel bessere Angebote", sagte der Medizinstudent Shivani Ganesh.
Assistenzärzte in England verdienen nach Angaben der Regierung in ihrem ersten Berufsjahr etwa 32.000 Pfund (etwa 37.000 Euro). Der Ärztegewerkschaft British Medical Association (BMA) zufolge sind die Gehälter seit 2008 unter Berücksichtigung der Inflation um fast ein Viertel gesunken. Die Inflation in Großbritannien fiel in den vergangenen zwei Jahren noch höher aus als in vielen anderen westlichen Staaten.
Gesundheitsministerin Victoria Atkins warnte vor den "ernsthaften" Auswirkungen, die der Streik auf die Patienten habe. Mehr als 1,2 Millionen Termine hätten seit dem Start des Arbeitskampfes verschoben werden müssen, gab sie an. Im vergangenen Monat seien es 88.000 Termine gewesen. "Ich fordere den Assistenzarzt-Ausschuss der BMA dazu auf, ihren Streik abzusagen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren, so dass wir eine faire und vernünftige Lösung finden können, um die Streiks ein für allemal zu beenden", erklärte Atkins.
Gewerkschaftsvertreter Robert Laurenson hingegen sagte, dass Streiks das einzige seien, worauf die britische Regierung reagiere. Er warnte, dass es weitere Aktionen geben könne, wenn London kein "glaubwürdiges" Angebot vorlege.
In den Verhandlungen war der Gewerkschaft zufolge von der Regierung zusätzlich zu einer bereits im Sommer vereinbarten durchschnittlichen Gehaltserhöhung um 8,8 Prozent eine Steigerung der Löhne um drei Prozent angeboten worden. Die BMA habe das Angebot mit dem Verweis auf eine ungleichmäßige Verteilung auf die verschiedenen Arztgruppen abgelehnt und argumentiert, dass das Angebot "für viele Ärzte immer noch eine Gehaltskürzung bedeuten würde".
In England hatte es im vergangenen Jahr bereits mehrere Streiks im Gesundheitswesen gegeben, die zu verzögerten Behandlungen und abgesagten Terminen für hunderttausende Patienten führten. Zuletzt hatten die Assistenzärzte vor Weihnachten für drei Tage die Arbeit niedergelegt. Der jahrelang unterfinanzierte NHS hat nach der Corona-Pandemie ohnehin einen gigantischen Rückstand an Behandlungen aufzuarbeiten.
Die Gesundheitspolitik in Schottland, Wales und Nordirland ist Sache der dortigen Regierungen, die britische Regierung in London ist nur für England zuständig.
A.Weber--NZN