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Das Saarland steht nach 23 Jahren CDU-geführter Regierungen vor einem Machtwechsel: Bei der Landtagswahl am Sonntag verzeichnete die SPD von Spitzenkandidatin Anke Rehlinger Hochrechnungen zufolge einen Erdrutschsieg. Im Saarbrücker Landtag kann sie womöglich sogar mit absoluter Mehrheit regieren. Die CDU stürzte auf ein historisches Tief. Die AfD bleibt im Landtag. Grüne und FDP mussten bis zuletzt zittern. Die Linke erlebte ein Fiasko.
Genau ein halbes Jahr nach dem SPD-Sieg bei der Bundestagswahl sorgten die Wählerinnen und Wähler an der Saar auch im kleinsten deutschen Flächenland für eine Neuordnung der politischen Verhältnisse - mit erdrutschartigen Verschiebungen im Stimmverhalten: Die SPD legte nach Hochrechnungen von ARD und ZDF von 29,6 Prozent bei der Wahl 2017 auf 43,6 bis 43,7 Prozent zu. Die CDU muss ihren Platz als stärkste Partei abgeben, sie stürzte von 40,7 Prozent auf 28,3 Prozent ab.
Rehlinger reklamierte die Führung der nächsten Landesregierung für sich. Sie werde "gern die Ehre" haben, Ministerpräsidentin zu werden, sagte sie. "Das Saarland hat rot gewählt." Der abgewählte Regierungschef Hans sprach von einer "sehr bitteren Niederlage". Er wolle am Montag "persönliche Konsequenzen" ziehen.
Die kleineren Parteien folgen mit großem Abstand auf CDU und SPD: Die Linke wird mit etwa 2,5 Prozent der Stimmen in ihrer früheren Hochburg keine Rolle mehr spielen. Ihr früherer Spitzenkandidat Oskar Lafontaine hatte die Partei wenige Tage vor der Wahl im Streit verlassen.
Die AfD könnte den Hochrechnungen zufolge mit 5,6 bis 5,7 Prozent im Saarbrücker Landtag bleiben. Die Grünen mussten mit 5,0 Prozent ebenso zittern wie die FDP mit 4,9 Prozent.
Erstmals seit dem SPD-Sieg bei der Wahl in Hamburg 2015 könnte nun wieder eine Partei in einem Bundesland mit absoluter Mehrheit der Sitze regieren. Nötig sind dafür 26 der insgesamt 51 Sitze: Auf die SPD entfielen nach den Prognosen 26 bis 27 Sitze. Die CDU käme auf 16 bis 18 Sitze. AfD und Grüne könnten mit jeweils drei Sitzen rechnen - ebenso die FDP.
Die Bundes-CDU wollte das Ergebnis an der Saar nicht als Stimmungstest für die neue Parteiführung unter Friedrich Merz verstanden wissen. "Es ging um saarländische Themen", sagte Generalsekretär Mario Czaja im ZDF. Die Ausgangsbedingungen seien andere als im Bund.
CSU-Generalsekretär Stephan Mayer sah die Wirkung der neuen Bundesregierung auf die SPD beschränkt. "Die Ampel hat nicht gewirkt", sagte er im ZDF. Nur die Sozialdemokraten hätten "Rückenwind" aus dem Bund gehabt.
SPD-Chef Lars Klingbeil hielt eine Alleinregierung der SPD im Saarland für möglich. Er sah in dem Landesergebnis einen "guten Auftakt für dieses Wahljahr 2022". Seine Partei wolle nun bei den bevorstehende Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein im Mai die CDU-geführten Regierungen ablösen und ihre Regierung im Oktober in Niedersachsen verteidigen.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte zum schwachen Abschneiden seiner Partei: "Das Saarland ist kein einfaches Pflaster für uns." FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai sagte, bereits zwei Wahlperioden außerhalb des Parlaments zu arbeiten, habe es der Partei "außerordentlich schwer" gemacht.
Von "Rückenwind" sprach die Grünen-Chefin Ricarda Lang. Es sei ein "ganz klarer Erfolg" für die Grünen, dass sie voraussichtlich in den Landtag zurückkehrten - und damit wieder in allen 16 Bundesländern im Parlament vertreten seien.
Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow wertete das Scheitern ihrer Partei als Folge interner Zerstrittenheit des dortigen Landesverbands. Die Saar-Linke habe "über die letzten Jahre heftige Auseinandersetzungen geführt", sagte sie am im ZDF. "Man wählt keine zerstrittenen Parteien."
AfD-Bundeschef Tino Chrupalla sagte im ZDF, seine Partei habe sich "sicherlich ein, zwei Prozent mehr gewünscht". Insgesamt sei er allerdings "zufrieden" mit dem neuerlichen Einzug in den Landtag.
R.Bernasconi--NZN