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Russland hat eine Feuerpause für die schwer zerstörte südukrainische Hafenstadt Mariupol angekündigt. Die Maßnahme werde am Donnerstag um 10.00 Uhr (Ortszeit; 09.00 Uhr MESZ) in Kraft treten und solle die Möglichkeit schaffen, Zivilisten über einen humanitären Korridor herauszuholen, erklärte das russische Verteidigungsministerium am Mittwoch. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verwarf indessen russische Zusagen einer Reduktion der Angriffe in der Nordukraine und warf ihnen vor, eine neue Offensive im Osten vorzubereiten.
"Damit diese humanitäre Operation erfolgreich ist, schlagen wir eine direkte Beteiligung von Vertretern des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) vor", hieß es in der russischen Erklärung. Der humanitäre Korridor soll demnach über die unter russischer Kontrolle stehende Stadt Berdjansk ins 250 Kilometer entfernte Saporischschja führen.
Das Ministerium forderte die Regierung in Kiew auf, die "bedingungslose Einhaltung" der Feuerpause durch eine schriftliche Mitteilung an die russische Seite sowie das UNHCR und das IKRK zu bestätigen. Die ukrainische Armee müsse sich außerdem für die Sicherheit der Buskonvois, in denen die Zivilisten transportiert werden sollen, einsetzen.
Der ukrainische Staatschef Selenskyj sagte jedoch in seiner abendlichen Ansprache: "Wir glauben niemandem, keiner einzigen schönen Phrase".
Russische Unterhändler hatten nach den Verhandlungen in Istanbul am Dienstag erklärt, Moskau werde seine Angriffe auf Kiew und Tschernihiw im Norden "radikal" zurückfahren. Dennoch wurde der Beschuss in der Nacht fortgesetzt.
Selenskyj bekräftigte nun Angaben seiner Armee, dass sich die russischen Streitkräfte nur umgruppieren würden, damit sie in der Donbass-Region im Osten stärker angreifen können. "Wir werden nichts verschenken. Wir werden um jeden Meter unseres Territoriums kämpfen", warnte der Präsident.
US-Militärs sagten indessen, dass die russischen Streitkräfte begonnen hätten, sich aus der Region um das stillgelegte Kernkraftwerk Tschernobyl nördlich von Kiew zurückzuziehen. "Wir glauben, dass sie abziehen, aber ich kann Ihnen nicht sagen, dass sie alle weg sind", sagte ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums, der anonym bleiben wollte.
Die ukrainischen Behörden warfen Russland vor, erneut Phosphorwaffen in der Ostukraine eingesetzt zu haben. In der Kleinstadt Marinka hätten die von russischen Soldaten eingesetzten Waffen "ein Dutzend Brände" verursacht, erklärte der Chef der Militärverwaltung der Region Donezk, Pawel Kyrylenko. Die Behörden sprachen von weiteren Luftangriffen auf die Orte Heorhijiwka, Nowokalinowo und Otscheretyne. Bei einem Angriff auf das Dorf Sloboschanske bei Charkiw wurden demnach eine Frau und ihr elfjähriger Sohn getötet.
Raketenangriffe gab es nach Behördenangaben zudem auf eine Fabrik in Nowomoskowsk sowie auf ein Öldepot in der wichtigen Industriestadt Dnipro. Opfer wurden von dort nicht gemeldet.
In Mariupol wurde nach ukrainischen Angaben ein Gebäude des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) Ziel russischer Luftangriffe. Ein Sprecher der Organisation in Genf konnte jedoch keine Angaben dazu machen, da kein Personal vor Ort sei.
Mariupol ist seit Wochen von jeglicher Versorgung abgeschnitten und wird von den russischen Streitkräften heftig beschossen. Tausende Menschen sind bereits gestorben.
Die Verhandlungen mit Russland über ein diplomatisches Ende des Kriegs sollen indessen dem ukrainischen Unterhändler David Arachamia zufolge am Freitag per Online-Schalte fortgesetzt werden.
S.Scheidegger--NZN