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Der gewaltsame Angriff auf den russischen Oppositionellen Leonid Wolkow im Exil in Vilnius ist litauischen Angaben zufolge vermutlich von Moskau in Auftrag gegeben worden. "Es ist wahrscheinlich, dass es sich bei dem Angriff um eine von Russland organisierte und ausgeführte Operation handelt", hieß es in einer Erklärung des litauischen Geheimdienstes am Mittwoch. Ziel der Operation sei es gewesen, "die Umsetzung russischer Oppositionsprojekte zu verhindern". In Russland wird von Freitag bis Sonntag der Präsident gewählt, eine Wiederwahl von Kreml-Chef Wladimir Putin gilt als sicher.
Wolkow, ein enger Vertrauter des Mitte Februar in russischer Haft ums Leben gekommenen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny, war am Dienstagabend vor seinem Haus in Vilnius gewaltsam angegriffen worden. Dabei wurde dem 43-Jährigen unter anderem der Arm gebrochen.
Wolkow wurde nach dem Angriff vorübergehend ins Krankenhaus eingeliefert, später jedoch wieder entlassen. Aus Regierungskreisen hieß es, dass "Prellungen an verschiedenen Körperteilen" und ein gebrochener Arm festgestellt worden seien. "Schwerere Verletzungen" konnten demnach vermieden werden.
Wolkow sprach in einem auf der Onlineplattform Telegram veröffentlichten Video von einem "typischen" Angriff von Gefolgsleuten des russischen Präsidenten Putin. Jemand habe ihm bei dem Angriff "etwa 15 Mal auf das Bein geschlagen". "Das Bein ist (...) okay. Es tut weh zu laufen. (...) Aber mein Arm ist gebrochen." Nawalnys frühere Sprecherin Kira Jarmisch hatte zuvor erklärte, Wolkow sei zunächst mit Tränengas in seinem Auto und später mit einem Hammer angegriffen worden.
Wolkows Ehefrau verbreitete Fotos ihres verletzten Ehemannes. Auf ihnen war unter anderem zu sehen, dass der 43-Jährige ein blaues Auge und Blut am Bein hatte, das durch seine Jeans durchdrang.
Litauens Präsident Gitanas Nauseda versicherte nach der Attacke, dass der Vorfall untersucht und die Schuldigen gefunden würden. An den russischen Präsidenten Wladimir Putin gerichtet sagte er: "Niemand hier hat Angst vor Ihnen". Mit "hier" bezog sich Nauseda auf Litauen, aber auch Europa, wie sein Büro auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP erklärte. Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, sagte auf Nausedas Äußerung angesprochen: "Auch hier hat niemand Angst von dem russischen Präsidenten."
Die litauische Polizei leitete am Mittwoch Ermittlungen zu dem Angriff auf Wolkow ein. "Wir ergreifen alle notwendigen Maßnahmen, um die Motive und Ursachen dieses Verbrechens aufzuklären", sagte Polizeichef Saulius Tamulevicius dem Radiosender LRT. Bisher sei noch kein Verdächtiger identifiziert worden.
Wolkow hatte nur Stunden vor der Attacke der russischen Nachrichtenseite Medusa gesagt, nach Nawalnys Tod fürchte auch er um seine Sicherheit. Die Polizei verweigerte Auskünfte darüber, ob vor oder nach dem Anschlag Sicherheitsvorkehrungen für Wolkow getroffen wurden.
Nawalny war nach Angaben der russischen Behörden am 16. Februar in einem russischen Straflager in der Arktis gestorben, wo er eine 19-jährige Haftstrafe verbüßen sollte. Nawalnys Anhänger und zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung und Präsident Putin für den Tod des Oppositionellen verantwortlich.
Nawalnys Witwe Julia Nawalnaja hat erklärt, die Arbeit ihres Mannes fortzusetzen. Am Mittwoch bezeichnete sie Putin im Onlinedienst X als "Gangster": "Betrachten Sie Putin als Ganster, und Sie werden verstehen, wie Sie ihn bestrafen und sein Ende hervorrufen können", erklärte Nawalnaja.
In Litauen leben viele russische und weißrussische Oppositionelle. Das Nato- und EU-Mitglied ist seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine vor mehr als zwei Jahren ein entschiedener Unterstützer der Ukraine.
Nauseda erklärte bei einem Besuch in Paris vor Journalisten zudem, dass es jüngst zu "Zwischenfällen mit sowjetischen Dankmälern" sowie Schändungen der litauischen Flagge gekommen sei. All dies deute darauf hin, "dass solche Dinge geplant sind. Wir sollten nicht überrascht sein", betonte der Präsident.
In Russland findet von Freitag bis Sonntag die Präsidentschaftswahl statt. Da die Opposition entweder verhaftet oder ins Ausland geflohen ist, gibt es kaum Zweifel, dass Putin sich eine weitere sechsjährige Amtszeit sichert.
L.Zimmermann--NZN