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Der Bundestag hat einen Unionsantrag zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine erneut klar abgelehnt. In der Debatte zeigten sich am Donnerstag aber tiefe Risse in der Ampel-Koalition: Insbesondere die Grünen kritisierten den Kurs von Kanzler Olaf Scholz (SPD) in der Taurus-Frage scharf.
Es war bereits das dritte Mal in diesem Jahr, dass der Bundestag über einen Antrag von CDU/CSU zur Taurus-Lieferung abstimmte. Im Ergebnis zeigten sich keine große Verschiebungen: 495 Abgeordnete wiesen den Unionsvorstoß zurück, 190 waren dafür und fünf enthielten sich.
Ob auch Vertreterinnen oder -vertreter der Ampel-Koalition den Unionsantrag unterstützen, war zunächst offen. Das detaillierte Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird später bekannt gegeben. Ende Februar hatte die FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann für den damaligen Unionsantrag gestimmt.
In der Debatte kritisierten vor allem die Grünen den "Basta"-Kurs des Kanzlers in der Taurus-Frage. "Zur vollen Wahrheit gehört, auch Zögern und Zaudern kann am Ende zur Eskalation beitragen", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger (Grüne). Deshalb könne Scholz die Taurus-Debatte nicht einfach für beendet erklären. Auch ihre Partei wäge alle Risiken solcher Waffenlieferungen sorgfältig ab, betonte Brugger. "Und das lassen wir uns als Grüne von niemandem absprechen, auch nicht vom Bundeskanzler."
Der FDP-Abgeordnete Alexander Müller sagte, auch seine Fraktion halte die Lieferung von Taurus für nötig. "Gegen Wladimir Putin hilft nur klare Kante", sagte er. "Alles andere sieht er nur als Unterwürfigkeit." Er kritisierte gleichzeitig "Spiele der Opposition" und kündigte wie Brugger an, auch seine Fraktion werde nicht für den Unionsantrag stimmen. Müller betonte, über die Taurus-Lieferung könne ohnehin nur die Bundesregierung und nicht der Bundestag entscheiden.
Kanzler Scholz hatte seine Liefer-Ablehnung erst am Mittwoch im Bundestag bekräftigt. Er sagte dabei, er werde kein Waffensystem liefern, das die Beteiligung deutscher Soldaten in dem Konflikt nötig mache.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verteidigte diesen Kurs und warf der Union vor, aus "niederen politischen Beweggründen" eine "kleinteilige Debatte" über ein einzelnes Waffensystem anzuheizen. Gleichzeitig griff er Koalitionsvertreter an, die Scholz kritisierten. Wenn der Kanzler mit Begriffen "wie Sicherheitsrisiko oder Unwahrheit belegt" werde, sei dies "nicht nur unredlich", sondern auch "bösartig", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende. "Dies gehört nicht in eine parlamentarische Demokratie und schon gar nicht in eine Koalition"
Der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul dankte der Grünen-Vertreterin Brugger ausdrücklich für ihre Äußerungen. Sie habe im Wesentlichen das ausgedrückt, was auch CDU/CSU dächten. Wadephul forderte erneut eindringlich eine Taurus-Lieferung und verwies auf die sich verschlechternde militärische Lage der Ukraine. An Scholz und die SPD gerichtet sagte er: "Ihre vermeintliche Besonnenheit hat Herrn Putin immer nur wieder befeuert in seiner Aggression gegen die Ukraine."
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) sprach dieses Mal in der Debatte nicht. Er warf Scholz jedoch im Sender RTL vor, "mit Kriegsängsten der deutschen Bevölkerung" zu spielen. Sein Auftritt am Mittwoch im Bundestag habe zudem gezeigt, dass der Kanzler "hochgradig nervös" und "dünnhäutig" auf Kritik in der Taurus-Frage reagiere.
Vertreter von AfD, Linken und BSW lehnten in der Debatte erneut eine Taurus-Lieferung ab. Sie bedeute "die Verlängerung des Krieges", sagte der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla. Nötig für Frieden sei die Diskussion von Lösungsvarianten am Verhandlungstisch.
Linken-Chefin Janine Wissler warnte, eine Taurus-Lieferung gehe einher "mit einer enormen Eskalationsgefahr für den gesamten Kontinent und darüber hinaus". Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht sagte, "die ganze Welt außerhalb der deutschen Polit-Blase" wisse, "dass die Ukraine diesen Krieg nicht gewinnen kann". Daran werde eine Taurus-Lieferung "überhaupt nichts ändern", Deutschland werde aber "zur Kriegspartei".
W.Vogt--NZN