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Nach monatelangen Debatten hat das spanische Abgeordnetenhaus ein umstrittenes Amnestiegesetz für katalanische Unabhängigkeitsbefürworter verabschiedet. Mit einer knappen Mehrheit von 178 Ja-Stimmen bei 172 Gegenstimmen billigten die Abgeordneten in Madrid am Donnerstag das Vorhaben. Von dem Gesetz profitieren könnte auch der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont, der nun nach Jahren im Exil nach Spanien zurückzukehren könnte.
Hintergrund sind die gescheiterten Versuche zur Abspaltung Kataloniens von Spanien im Jahr 2017. Die Amnestie soll insbesondere hunderten Aktivisten zugutekommen, die nach der gescheiterten Abspaltung von der spanischen Justiz verfolgt wurden. Nach Angaben von Justizminister Félix Bolaños betrifft das Gesetz "etwa 400" Menschen.
Das vor der Abstimmung monatelang debattierte Amnestiegesetz spaltet die spanische Gesellschaft und löste heftige Proteste aus. Ein erster Entwurf war Ende Januar im Parlament am Widerstand von Puigdemonts Partei gescheitert. Ihr ging der Text nicht weit genug. Das angekündigte Amnestiegesetz war Voraussetzung dafür, dass die Unabhängigkeitsbefürworter dem Sozialdemokraten Pedro Sánchez im November eine zweite Amtszeit als Spaniens Regierungschef ermöglichten.
Der Chef der katalanischen Partei ERC, Oriol Junqueras, zeigte sich nach der Abstimmung am Donnerstag zufrieden. "Wir wollten immer, dass die Gerechtigkeit so schnell wie möglich siegt, und für mich wird es eine Freude sein, alle unsere Genossen im Exil wiederzusehen", sagte er dem Fernsehsender TVE. Junqueras war 2019 wegen seiner Beteiligung am verbotenen Unabhängigkeitsreferendum zu einer Haftstrafe von 13 Jahren verurteilt, aber bereits 2021 begnadigt worden.
Das Gesetzesvorhaben wird nun dem Senat vorgelegt, in dem die konservative Volkspartei (PP) die Mehrheit hat. Die PP lehnt das Amnestiegesetz ab und hat angekündigt, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um dessen Verabschiedung zu verzögern.
Puigdemont, der als Abgeordneter im Europäischen Parlament sitzt, hatte sich am späten Mittwochabend vor Reportern hoffnungsfroh gezeigt, dass das Gesetz bis Ende Mai endgültig verabschiedet werden kann. Anschließend wolle er in seine Heimat zurückkehren.
In einer Ansprache vor der Abstimmung im Abgeordnetenhaus griff PP-Chef Alberto Núñez Feijóo den Regierungschef scharf an und attestierte Sánchez "absolute Skrupel- und Überzeugungslosigkeit". Das Gesetz werde nur deshalb verabschiedet, "weil es die einzige Möglichkeit" für Sánchez sei, Ministerpräsident zu bleiben.
Tatsächlich hatte Sánchez sich vor der Wahl im vergangenen Juli gegen eine Amnestie ausgesprochen. Um eine Regierungsmehrheit zu sichern, war er nach der Wahl jedoch auf die Unterstützung der Unabhängigkeitsbefürworter im Parlament angewiesen und willigte in die Ausarbeitung des Amnestiegesetzes ein.
X.Blaser--NZN