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Nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Region um Kiew sind dort nach ukrainischen Angaben mehr als 1200 Todesopfer gefunden worden. Es seien insgesamt 1222 Leichen geborgen worden, sagte Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa am Sonntag dem britischen Sender Sky News. Während die Ukraine sich auf heftige Kämpfe mit Russland im Osten des Landes vorbereitet, sagten der britische Premierminister Boris Johnson und andere europäische Politiker bei Besuchen in Kiew der Ukraine weitere Unterstützung zu.
Die ukrainische Armee sei gewappnet für die "großen Schlachten" gegen die russischen Truppen, sagte der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Mychailo Podoljak, am Samstagabend. Selenskyj sprach von möglicherweise "entscheidenden" Kämpfen in der Ostukraine. "Wir sind bereit zu kämpfen und parallel dazu nach diplomatischen Wegen zu suchen, um diesen Krieg zu beenden", sagte er.
Die russische Armee hatte sich in den vergangenen Tagen im Norden der Ukraine insbesondere aus der Region um die Hauptstadt Kiew zurückgezogen. Nach eigenen Angaben will sich Moskau nun auf den östlichen Donbass konzentrieren, der bereits seit 2014 teilweise von pro-russischen Rebellen kontrolliert wird. In der westlich vom Donbass gelegenen Stadt Dnipro wurde am Sonntag nach Angaben von Gouverneur Valentin Resnitschenko der Flughafen bei einem russischen Angriff "vollständig zerstört".
In Erwartung einer massiven Offensive in der Ostukraine hatten die örtlichen ukrainischen Behörden ihre Evakuierungsbemühungen zuletzt verstärkt. Dabei wurde am Freitag der Bahnhof der Stadt Kramatorsk von einem Raketenangriff getroffen. 52 Zivilisten, darunter fünf Kinder, starben. Russland wies jegliche Verantwortung zurück.
Mit Bussen und Kleintransportern wurden dutzende Überlebende des Angriffs auf den Bahnhof aus Kramatorsk heraus gebracht, wie AFP-Reporter berichteten. Mehrere Züge sollten nach Angaben der ukrainischen Bahngesellschaft von der Nachbarstadt Slowjansk aus Flüchtende gen Westen bringen.
In Kiew gaben sich derweil westliche Politiker die Klinke in die Hand: Nach dem Besuch von Spitzenvertretern der EU am Freitag empfing Selenskyj am Samstag Johnson und Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer.
Der britische Premierminister sagte der Ukraine bei seinem Überraschungsbesuch in Kiew weitere Militärhilfe zu. Er kündigte unter anderem die Lieferung von 120 gepanzerten Fahrzeugen und neuen Anti-Schiffs-Raketensystemen in die Ukraine an. Selenskyj lobte die britische Unterstützung und rief andere westliche Länder auf, "dem Beispiel des Vereinigten Königreichs zu folgen".
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sicherte der Ukraine am Sonntag in einem Telefonat mit Selenskyj "die Solidarität und volle Unterstützung Deutschlands" zu. Auf deutsche "Marder"-Schützenpanzer werden die ukrainischen Streitkräfte vorerst aber offenbar verzichten müssen.
Die russische Armee hatte sich vor rund einer Woche aus der Region um Kiew zurückgezogen. In den nahe der Hauptstadt gelegenen Orten herrschten nach dem Abzug der russischen Truppen dramatische Zustände. Erste Berichte am vergangenen Wochenende über möglicherweise hunderte getötete Zivilisten in Butscha hatten international für Entsetzen gesorgt. Im Laufe der Woche häuften sich ähnliche Schilderungen aus weiteren Orten wie Irpin oder Borodjanka.
Nach Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwältin Wenediktowa wurden seit Beginn der russischen Invasion Ermittlungen zu 5600 mutmaßlichen Kriegsverbrechen eingeleitet. Sie richteten sich gegen 500 Verdächtige aus den Reihen des russischen Militärs und der Regierung in Moskau, unter ihnen Kreml-Chef Wladimir Putin, sagte sie dem Sender Sky News.
Wegen des russischen Angriffskriegs sind nach UN-Angaben bislang mehr als 4,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, 7,1 Millionen weitere Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht.
Bei der weltweiten Spendenaktion "Stand Up For Ukraine" wurden am Samstag 9,1 Milliarden Euro zur Unterstützung von ukrainischen Flüchtlinge zugesagt, wie die EU-Kommission mitteilte. Eine weitere Milliarde stellt die Kommission gemeinsam mit der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) bereit.
D.Graf--NZN