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Der Entwurf zur geplanten Klinikreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist bei der Opposition und der Deutschen Krankenhausgesellschaft auf Kritik gestoßen. Aus der Ampel-Koalition kam am Wochenende Zustimmung. Kernstück ist ein neues Vergütungssystem, das die Kliniken von dem ökonomischen Druck befreien soll, immer mehr Patientinnen und Patienten zu behandeln. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) zeigte sich "entsetzt" darüber, dass Lauterbach die Länder nicht vorab einbezogen habe.
Dem Gesetzentwurf zufolge sollen Krankenhäuser nicht wie bislang nach Fallzahlen bezahlt werden. Damit wird der Anreiz für Kliniken geringer, jede Behandlung zu übernehmen. Berichten zufolge ist zusätzliches Geld ab 2027 jährlich unter anderem für die Bereitstellung von Stationen für Kindermedizin (288 Millionen Euro), Geburtshilfe (120 Millionen Euro), Schlaganfall (35 Millionen Euro) und Intensivmedizin (30 Millionen Euro) vorgesehen. Auch Unikliniken sollen mehr Geld bekommen.
Krankenhäuser auf dem Land sollen erhalten bleiben. "Es werden die jährlichen Förderbeträge für bedarfsnotwendige ländliche Krankenhäuser erhöht", auf bis zu eine Million Euro pro Jahr und Krankenhaus, zitierte die "Bild"-Zeitung aus dem Entwurf. Das solle Kliniken in der Fläche retten, die die medizinische Grundversorgung gewährleisten.
Bestehende Kliniken können demnach auch in eine "sektorenübergreifende Versorgungseinrichtung" umgewidmet werden. Dort sollen wohnortnah keine komplizierten Eingriffe mehr gemacht werden, sondern unter anderem Pflege und kleinere Operationen.
Der Gesetzentwurf sieht demnach außerdem vor, dass flächendeckend Krankenhäuser in maximal 30 Minuten Auto-Fahrzeit erreicht werden müssen. Das gelte für Kliniken mit Abteilungen für Innere Medizin und Allgemeine Chirurgie. Alle anderen Krankenhäuser müssen dem Bericht zufolge in mindestens 40 Pkw-Fahrminuten erreichbar sein.
Für die Reform solle ein 50-Milliarden-Euro-Fonds über zehn Jahre aufgebaut werden, etwa für Krankenhaus-Umbauten. Die Hälfte des Geldes kommt demnach von den Krankenkassen; die andere Hälfte sollen die Bundesländer übernehmen, 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.
Die bayerische Gesundheitsministerin Gerlach sagte der "Bild am Sonntag": "Der Bundesminister hat ein weiteres Mal die Länder nicht vorab einbezogen. Wir erfahren zuerst aus den Medien über seine Pläne für die Krankenhausreform."
Die Reform löse "in keinster Weise das aktuelle Problem, sondern sieht weiter zu, wie die Krankenhäuser sterben und sich die Versorgung der Patientinnen und Patienten gerade auf dem Land dramatisch verschlechtert", sagte der bayerische CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek der "Bild am Sonntag".
Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der Zeitung: "Die Vorschläge zur Finanzierung sind völlig unausgegoren und führen vor Ort zu weiterer Verunsicherung."
Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte der "Bild am Sonntag": "Was wir im Entwurf absolut vermissen, ist eine wirksame wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser als Inflationsausgleich im Jahr 2024."
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, verteidigte das Vorhaben. "Ein Krankenhaussterben wird es nur geben, wenn wir die notwendigen Reformen verschleppen." Die Bundesländer seien "über Jahre hinweg ihrer Investitionsverpflichtung kaum nachgekommen und haben bei der Krankenhausplanung teilweise versagt", so der Vorwurf. Deswegen sei die Ampel-Koalition nun gezwungen, weitreichende Schritte zu unternehmen.
SPD-Bundestagsfraktionsvize Dagmar Schmidt nannte die Reformvorschläge "dringend geboten und ein riesiger Beitrag für eine flächendeckende und qualitativ bessere Medizin für alle". Mit der Reform stelle die Ampel-Koalition sicher, "dass gute Versorgung dort hinkommt, wo sie gebraucht wird und nicht dort, wo sie sich rechnet", sagte sie der "Bild am Sonntag".
Der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte zu AFP, Lauterbach mache "seine Reform am Reißbrett und mit dem Rechenschieber". Es fehle "der Blick in die Praxis und auf den Patienten".
W.Vogt--NZN