SDAX
-48.2600
Die israelische Armee hat am Montag einen groß angelegten Einsatz am Al-Schifa-Krankenhaus in der Stadt Gaza begonnen, auf dessen Gelände sich nach Angaben der Hamas "zehntausende" Flüchtlinge aufhalten. Der Einsatz richte sich gegen ranghohe "Hamas-Terroristen", erklärte die israelische Armee am Montag. Die Bevölkerung wurde zum Verlassen des Gebiets rund um das Krankenhaus aufgefordert. Derweil wollte Mossad-Chef David Barnea zu Verhandlungen über eine Feuerpause nach Doha reisen.
Soldaten "führen derzeit einen gezielten Einsatz im Bereich des Al-Schifa-Krankenhauses aus", teilte die israelische Armee am Morgen mit. "Der Einsatz basiert auf Informationen, die auf die Nutzung des Krankenhauses durch ranghohe Hamas-Terroristen hinweisen." Die Soldaten seien aufgefordert worden, "mit Vorsicht zu agieren und Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass Patienten, Zivilisten und medizinisches Personal verletzt werden".
Einige Stunden danach rief das Militär die Bevölkerung auf, das Gebiet rund um das Krankenhaus zu verlassen. "Um Ihre Sicherheit zu gewährleisten, müssen Sie das Gebiet sofort verlassen", erklärte Armeesprecher Avichay Adraee im Onlinedienst X. "Alle Menschen vor Ort" sollten sich erst in Richtung Westen und sich dann entlang der Küste nach Süden in ein "humanitäres Gebiet" in den am Meer gelegenen Ort Al-Mawasi begeben. Augenzeugen berichteten AFP von israelischen Luftangriffen, Panzern rund um das Gelände und Schusswechseln.
In einer gemeinsamen Erklärung von israelischer Armee und Geheimdienst hieß es später: "Terroristen haben vom Krankenhaus aus das Feuer auf unsere Truppen eröffnet. Die Soldaten haben zurückgeschossen."
Das von der Hamas kontrollierte Gesundheitsministerium sprach von "dutzenden Märtyrern", die getötet worden seien. Eines der Gebäude des Krankenhauses sei durch die israelischen Angriffe in Brand geraten. Insgesamt befänden sich auf dem Gelände "zehntausende" Menschen.
Nach israelischen Angaben wurden bei dem Angriff der Hamas am 7. Oktober etwa 1160 Menschen getötet sowie rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor und startete am 27.Oktober eine Bodenoffensive.
Am Montag erklärte das israelische Militär, dass seit Beginn der Bodenoffensive 250 israelische Soldaten getötet worden seien. Der 250. Soldat sei am Morgen bei dem Einsatz am Al-Schifa-Krankenhaus getötet worden, hieß es aus israelischen Sicherheitskreisen.
Bei den israelischen Angriffen wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 31.700 Menschen getötet.
Nach mehr als fünf Monaten Krieg befindet sich UN-Angaben jeder zweite Bewohner im Gazastreifen in einer "katastrophalen Ernährungssituation". Wenn keine Maßnahmen ergriffen würden, stehe eine Hungersnot in den nördlichen Bezirken "unmittelbar bevor" und könnte "jederzeit zwischen Mitte März und Mai 2024 eintreten", hieß es in der am Montag veröffentlichten IPC-Skala zum Hungermonitoring der UNO. Eine Hungersnot könnte noch abgewendet werden, wenn Hilfsorganisationen uneingeschränkten Zugang erhielten.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell bezeichnete indes den Gazastreifen als "Friedhof": "Vor dem Krieg war der Gazastreifen das größte Gefängnis unter freiem Himmel, heute ist er der größte Friedhof unter freiem Himmel", erklärte Borrell am Montag in Brüssel.
Israels Außenminister Israel Katz rief Borrell auf, "Israel nicht weiter anzugreifen und unser Recht auf Selbstverteidigung gegen die Verbrechen der Hamas anzuerkennen". Israel lasse zudem "umfangreiche humanitäre Hilfe für Hilfswillige auf dem Land-, Luft- und Seeweg nach Gaza zu", betonte Katz im Onlinedienst X.
Bei den Verhandlungen über eine Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln soll es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen ein Treffen zwischen Mossad-Chef David Barnea und Katars Regierungschef Abdelrahman al-Thani sowie hochrangigen Vertretern Ägyptens geben. Das Gespräch solle im Laufe des Tages in Doha stattfinden, erfuhr AFP am Montag.
Die Verhandlungen zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas über eine Feuerpause und Geiselfreilassungen laufen seit Wochen und werden vor allem von Katar und Ägypten sowie den USA vermittelt. Auf dem Tisch liegt derzeit offenbar ein Vorschlag für eine sechswöchige Feuerpause und zu einem Austausch israelischer Geiseln gegen palästinensische Häftlinge.
X.Blaser--NZN