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Vor dem EU-Gipfel in Brüssel hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die europäischen Partner zu Geschlossenheit und Durchhaltekraft bei der Unterstützung der Ukraine aufgefordert. "Wenn der russische Präsident glaubt, dass er diesen Krieg nur aussitzen muss und wir schwächeln werden in unserer Unterstützung, dann hat er sich verrechnet", sagte Scholz am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Bundestag in Berlin. Europa dürfe die Stärke Russlands nicht überschätzen, mahnte Scholz.
"Russland ist nicht so stark, wie man jetzt denkt", sagte der Kanzler. Militärisch sei Russlands Krieg in der Ukraine zwar "brutal". Aber innenpolitisch zeige das repressive russische System Anzeichen von mangelnder Stärke. Scholz verwies auf die "gefälschten Wahlen" in Russland und auf die Verfolgung der Opposition und resümierte: "Alles das ist kein Zeichen von Stärke."
Die weitere Unterstützung für die Ukraine zählt zu den wichtigsten Themen des Treffens der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag in Brüssel. Prioritär müsse es in der aktuellen Lage um die Lieferung von Munition und anderen Waffen gehen, sagte Scholz. Ausdrücklich unterstützte er den Plan des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell: Dieser sieht vor, das in Europa eingefrorene russische Vermögen zu Gunsten der Ukraine zu nutzen. Dabei sollen Zinsgewinne abgeschöpft werden - mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr, Scholz hielt für dieses Jahr sogar fünf Milliarden Euro für möglich.
Schwierige Diskussion in Brüssel erwartet Scholz beim Thema Gaza-Krieg. "Es gibt da sehr unterschiedliche Auffassungen", sagte der Kanzler. Er hoffe, "dass es gelingt, einen gemeinsamen Text zustande zu bringen", der eine geschlossene Position der EU zeige. Deutschland werde dazu aber nicht von seinen Prinzipien bei der Unterstützung Israels abweichen.
Beim EU-Gipfel im Dezember war eine gemeinsame Erklärung zum Gaza-Krieg gescheitert. Grund ist das harte Vorgehen Israels im Gazastreifen nach dem brutalen Großangriff der radikalislamischen Hamas auf den jüdischen Staat am 7. Oktober. Manche EU-Länder verlangen angesichts der hohen Opferzahlen in dem Palästinensergebiet eine deutlich schärfere Sprache gegenüber Israel.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) bescheinigte Scholz' Regierung in seiner Rede innere Zerrüttung, die auch Deutschlands Stellung in Europa schwäche. "Der Bundeskanzler fährt morgen nach Brüssel als der Kanzler einer Koalition, die inzwischen von mehreren Seiten Ihre Autorität herausfordert und beschädigt", sagte Merz an Scholz gerichtet.
In einer derartigen Situation könne Scholz "die Führungsverantwortung nicht wahrnehmen, die die Europäische Union eigentlich von einem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu Recht erwartet", sagte der CDU-Chef weiter. Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: "Nie hat es eine Bundesregierung gegeben, die so wenig außenpolitische Handlungsfähigkeit hat wie diese."
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel lobte in der Aussprache die Weigerung des Kanzlers, deutsche Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, als "richtig". Zugleich richtete sie schwere Vorwürfe an Koalition und Union: "Kriegstreiberei und Kriegsrhetorik bestimmen den Ton in Brüssel und Berlin", sagte Weidel.
Für die Bezeichnung von Abgeordneten als "Kriegstreiber" erhielt Weidel eine Rüge von Vizebundestagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Diese forderte Weidel auf, ihren "Ton zu mäßigen".
FDP-Fraktionschef Christian Dürr nutzte seine Rede für scharfe Kritik an der AfD. Er warf der Partei zu große Nähe zu Kreml-Chef Wladimir Putin vor. "Das ist unpatriotisch, was sie hier machen", sagte Dürr. "Sie handeln nicht im im Interesse des deutschen Volkes, Sie schaden Deutschland."
Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge rief dringend zu mehr Unterstützung der Ukraine auf. Kreml-Chef Putin betrachte Zurückhaltung eher als "Einladung" zu weiteren Schritten, warnte sie.
In der seit Wochen geführten Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ließ die Grünen-Politikerin Distanz zum Kanzler erkennen. Diese Debatte sei nötig und "nicht lächerlich, wie manche meinen". Dröge griff damit eine Wortwahl des Kanzlers vom Vortag auf. Scholz hatte zu der Taurus-Debatte gesagt, diese sei "an Lächerlichkeit nicht zu überbieten".
Y.Keller--NZN