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Die USA setzen sich im UN-Sicherheitsrat erstmals für eine "sofortige Feuerpause" im Gazastreifen ein. US-Außenminister Antony Blinken, der auf einer Nahost-Reise nach Stationen in Saudi-Arabien und Ägypten am Freitag auch in Israel erwartet wird, sagte, ein von Washington vorgelegter Resolutionsentwurf fordere "eine sofortige Feuerpause verbunden mit der Freilassung der Geiseln". Insbesondere rund um das größte Krankenhaus im Gazastreifen gingen die Kämpfe unterdessen unvermindert weiter.
Die USA hatten im UN-Sicherheitsrat zuletzt bei mehreren Resolutionen, in denen sofortige Feuerpausen im Krieg zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas gefordert wurden, von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht. Blinken gab den Kurswechsel Washingtons am Mittwochabend bei einem Besuch in Saudi-Arabien bekannt.
"Wir haben tatsächlich eine Resolution vorgelegt, die jetzt dem Sicherheitsrat vorliegt, die eine sofortige Feuerpause verbunden mit der Freilassung der Geiseln fordert", sagte Blinken im Sender Al-Hadath. Er hoffe, dass davon ein "starkes Signal" ausgehe.
In dem Entwurf, welcher der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, wird auf die "Notwendigkeit einer sofortigen und dauerhaften Waffenruhe" hingewiesen, um die Zivilbevölkerung zu schützen und die Lieferung humanitärer Hilfe zu ermöglichen. Zuletzt hatten die USA im Februar einen von Algerien eingebrachten Resolutionsentwurf blockiert, in dem eine "sofortige humanitäre Feuerpause" gefordert wurde.
Zwischen Israel und den USA war es zuletzt zu massiven Verstimmungen gekommen. US-Präsident Joe Biden warnte den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu mit immer größerem Nachdruck vor einer Bodenoffensive in der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens, wo sich nach Offensiven im Norden und Zentrum des Küstengebiets mittlerweile rund 1,5 Millionen der insgesamt 2,4 Millionen Bewohner aufhalten.
Trotz der wachsenden Kritik hält Netanjahu bisher an der geplanten Offensive in Rafah und an dem Ziel fest, die Hamas in dem Krieg vollständig zu vernichten.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den beispiellosen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden, bei dem nach israelischen Angaben etwa 1160 Menschen getötet sowie rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Israel geht seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, schon fast 32.000 Menschen getötet.
Insbesondere rund um das Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza wurde zuletzt heftig gekämpft. Seit Beginn des Einsatzes am Montag wurden in dem Klinikkomplex, wo auch tausende Vertriebene Zuflucht gesucht hatten, nach Armeeangaben "mehr als 140 Terroristen eliminiert". Israel wirft der Hamas schon seit langem vor, Krankenhäuser als Kommandozentralen und Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu nutzen. Die Hamas beschuldigt wiederum die israelischen Soldaten, in dem Krankenhaus schon "Dutzende" Vertriebene, Patienten und Klinikmitarbeiter getötet zu haben.
In dem Interview in Saudi-Arabien sprach US-Außenminister Blinken auch über die laufenden Verhandlungen über ein Abkommen für eine Feuerpause und die Freilassung israelischer Geiseln im Austausch für palästinensische Häftlinge. "Es rückt näher. Ich denke, die Differenzen werden kleiner und ein Abkommen ist sehr gut möglich", sagte Blinken, der in Kairo am Donnerstag Kollegen aus fünf arabischen Länder treffen wollte.
Am Mittwoch hatte ein Hamas-Vertreter noch von einer "insgesamt negativen" Reaktion Israels auf einen Hamas-Vorschlag für eine sechswöchige Feuerpause gesprochen.
Die Staats- und Regierungschefs der EU berieten auf ihrem Brüsseler Gipfel ebenfalls über den Gaza-Krieg. Der mehrfach überarbeitete Entwurf der Abschlusserklärung enthielt die Forderung nach einer "sofortigen humanitären Pause, die zu einem nachhaltigen Waffenstillstand führt". Sie soll an die "bedingungslose Freilassung aller Geiseln und die Versorgung mit humanitärer Hilfe" geknüpft werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte bei seiner Ankunft in Brüssel, die Bundesregierung hoffe "darauf, dass jetzt ein länger anhaltender Waffenstillstand möglich wird, der auch verbunden ist mit der Freilassung aller Geiseln - und was mir auch wichtig ist, der Herausgabe der Gestorbenen".
Diplomaten halten es allerdings für möglich, dass die Textpassagen zum Nahen Osten nicht die nötige Einstimmigkeit finden. Vor allem Spanien und Irland hatten zuletzt schärfere Worte gegenüber Israel gefordert. Auf dem EU-Gipfel im Dezember war eine Nahost-Erklärung gescheitert.
R.Bernasconi--NZN