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Altbundespräsident Joachim Gauck hat sich für mehr Unterstützung von Deutschland für die von Russland angegriffene Ukraine ausgesprochen - sonst drohe ein "übles Erwachen". "Wir sind nicht am Ende unserer Möglichkeiten. Deutschland kann noch mehr tun", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Samstagsausgaben). Es stimme zwar, dass Deutschland die Ukraine stärker unterstütze als es europäische Nachbarstaaten täten. "Aber gemessen an Wirtschaftsleistung und Bevölkerungsstärke ist etwa der Beitrag der baltischen Länder höher."
"Wer meint, das sei nicht unser Krieg und die Kosten seien zu hoch, der kann ein übles Erwachen erleben", sagte Gauck weiter. "Wenn wir der Ukraine nicht helfen, sich zu verteidigen und den Aggressor zurückzudrängen, dann gerät die europäische Friedensordnung insgesamt ins Wanken – mit unabsehbaren Folgen auch für weitere Länder."
Anders als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht Gauck nach eigenen Angaben keine deutsche Kriegsbeteiligung bei einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Relevante Völkerrechtler und Militärexperten würden diese auch nicht sehen, sagte Gauck und warnte vor zu großer Ängstlichkeit. Scholz lehnt eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine trotz massiver Kritik auch aus seiner Regierungskoalition strikt ab.
Der russische Präsident Wladimir Putin wisse, dass sich viele Deutsche schneller fürchteten als etwa Polen und Franzosen. Dies nutze er aus. "Die Furcht ist ein Helfer des Aggressors. Mein Appell ist, sich nicht zu früh zu fürchten, etwa vor der Drohung Putins mit Atomwaffen", sagte der frühere Bundespräsident.
Gauck rief die CDU im Gespräch mit den RND-Zeitungen angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in mehreren ostdeutschen Bundesländern und der möglichen Stärke der AfD derweil auf, ihren Unvereinbarkeitsbeschluss zur Linkspartei zu revidieren. "Die AfD kann uns im Osten in Schwierigkeiten bringen", sagte er. "In Thüringen oder in Sachsen könnte es passieren, dass sich zur Abwehr einer AfD-Regierung Parteien zusammenfinden müssen, die überhaupt nicht zusammengehören. Das kann man sich nicht wünschen, es kann aber eintreten."
Er sei nicht verdächtig, ein Liebhaber der Linken zu sein, sagte Gauck weiter. Die Mehrheit in der Partei verteidige aber die Demokratie. "Wenn die CDU einst einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst hat, kann unter neuen politischen Aspekten und in einer neuen Problemlage ein solcher Beschluss auch revidiert werden."
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) habe gezeigt, dass die Linke dort anschlussfähig geworden sei. "Da werden sich neue Koalitionen bilden, an die wir uns gewöhnen müssen." Das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nannte Gauck eine Partei von Linkspopulisten mit einem Putin-freundlichen Kurs.
M.J.Baumann--NZN