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Bei den Kommunalwahlen in der Türkei hat sich in der Metropole Istanbul ein Sieg des Amtsinhabers der Oppositionspartei CHP abgezeichnet. Nach der Auszählung von 71 Prozent der Stimmen lag Istanbuls regierender Bürgermeister Ekrem Imamoglu am Sonntagabend mit 50.4 Prozent der Stimmen vor seinem von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützten Rivalen Murat Kuram, der auf 40,9 Prozent kam. CHP-Kandidaten lagen auch in den Städten Ankara und Izmir vorne.
In der Hauptstadt Ankara kam CHP-Bürgermeister Mansur Yavas nach Auszählung von 46,4 Prozent der Stimmen auf 58,6 Prozent, der Kandidat von Erdogans Regierungspartei AKP auf 33,5 Prozent.
Erdogan hatte sich massiv in den Wahlkampf in Istanbul eingeschaltet, um die Metropole am Bosporus für seine Partei zurückzuerobern. Auch nach der Stimmabgabe in Istanbul am Sonntagmittag (Ortszeit) hatte sich der Präsident noch siegesgewiss gezeigt: "Diese Wahl wird den Beginn einer neuen Ära für unser Land markieren", sagte er.
Imamoglu gab sich nach Auszählung der ersten Wahllokale vorsichtig optimistisch: "Ausgehend von den Daten, die wir erhalten haben, kann ich sagen, dass das Vertrauen unserer Bürger in uns belohnt worden ist", sagte er in der Istanbuler CHP-Zentrale. Keine Wahl sei jedoch abgeschlossen, "bevor sie vorbei ist", mahnte Imamoglu.
Noch am Vorabend hatte Erdogan in Istanbul bei mehreren Kundgebungen gegen Imamoglu ausgeteilt. Die wichtige Metropole sei in den vergangenen fünf Jahren "ihrem Schicksal überlassen" worden, sagte der türkische Staatschef am Samstag. "Wir streben danach, die Stadt vor der Katastrophe zu bewahren", sagte er.
Imamoglu wurde am Sonntag nach der Stimmabgabe von Anhängern gefeiert, die ihm applaudierten und seinen Wahlkampfslogan von 2019 skandierten: "Alles wird gut". Er hoffe, dass "der Wille des Wählers zum Ausdruck gebracht wird, ohne dass jemand zu Schaden kommt", sagte Imamoglu.
Aus einem Dorf im kurdisch geprägten Südosten der Türkei wurden allerdings Zusammenstöße gemeldet. Dabei seien ein Mensch getötet und zwölf weitere verletzt worden, erklärte das Gesundheitsministerium. Die prokurdische Partei DEM teilte mit, sie habe Unregelmäßigkeiten "in fast allen kurdischen Provinzen" festgestellt, insbesondere durch verdächtige Fälle von Stimmrechtsvertretung. Französischen Wahlbeobachtern wurde der Zugang zu einem Wahllokal in der Region verwehrt, wie die Anwaltsvereinigung MLSA mitteilte.
CHP-Chef Özgür Özel gab sich zuversichtlich. "Wir werden morgen einen großen Sieg erringen, der für niemanden eine Niederlage sein wird", sagte Özel am Samstag in der CHP-Hochburg Izmir im Westen des Landes. Am Ende werde "die Türkei gewinnen".
61 Millionen Wählerinnen und Wähler in allen 81 Provinzen der Türkei waren aufgerufen, Bürgermeister, Gemeinderäte und andere Kommunalvertreter zu wählen. Experten hatten vor der Abstimmung die Bedeutung der Wahlbeteiligung hervorgehoben.
Im Falle eines Sieges Imamoglus werde ihn das mit Blick auf die Spitzenkandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl auch innerhalb der Opposition stärken, erklärte Bayram Balci von der Uni Ceri-Sciences Po in Paris. Wenn es allerdings Erdogan gelinge, Istanbul und Ankara zurückzugewinnen, werde er dies "als Ermutigung zur Verfassungsänderung auffassen, um 2028 erneut zu kandidieren und eine vierte Amtszeit anzustreben".
Vor Imamoglus überraschendem Wahlsieg 2019 war Istanbul 25 Jahre lang in der Hand der AKP und deren Vorgängerparteien gewesen. Erdogan selbst hatte in der Metropole am Bosporus 1994 seine politische Karriere gestartet, als er dort zum Bürgermeister gewählt wurde.
Der Präsident hatte die Rückgewinnung Istanbuls als Wahlziel ausgegeben und dort seinen ehemaligen Umweltminister Murat Kurum ins Rennen geschickt. Auch in den bislang ebenfalls von der Opposition geführten Großstädten Ankara und Izmir hatte er auf einen Sieg der AKP gehofft.
M.Hug--NZN