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Angesichts der schwierigen Lage seiner Armee im Osten des Landes hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor einer Niederlage seines Landes gewarnt. Mit Blick auf die ausbleibende weitere Militärhilfe aus den USA sagte Selenskyj bei einer Videokonferenz von United24, einer Spendensammelinitiative der Regierung: "Wenn der Kongress der Ukraine nicht hilft, wird die Ukraine den Krieg verlieren." Unterdessen geriet das Militär nahe der Stadt Tschassiw Jar weiter in Bedrängnis.
"Ohne die Unterstützung des Kongresses wird es für uns schwierig sein, als Land zu gewinnen oder sogar zu überleben", betonte Selenskyj in seiner in Onlinenetzwerken verbreiteten Rede. Die von Russland angegriffene Ukraine leidet angesichts der Verzögerungen unter Munitionsmangel an der Front.
Selenskyj bekräftigte zudem seine Warnung, im Falle einer Niederlage seines Landes würden "andere Staaten angegriffen werden".
Die USA sind seit der russischen Invasion im Februar 2022 der wichtigste militärische Unterstützer Kiews. Doch seit dem vergangenem Jahr blockieren die Republikaner im Kongress unter dem Druck des früheren US-Präsidenten Donald Trump, der im November erneut zur Wahl antreten will, ein neues Ukraine-Hilfspaket im Wert von 60 Milliarden Dollar (rund 55 Milliarden Euro). Der US-Kongress trifft sich am Montag zu seiner ersten Sitzung nach der Frühjahrspause.
Auf dem Schlachtfeld steht die ukrainische Armee indes nach eigenen Angaben massiv unter dem Druck der russischen Invasionstruppen. Die Lage nahe der seit Wochen heftig umkämpften Stadt Tschassiw Jar sei "ziemlich schwierig und angespannt", sagte der Sprecher der 26. Artilleriebrigade, Oleh Kalaschnikow, am Sonntag im ukrainischen Fernsehen.
Brigadesprecher Kalaschnikow zufolge gelang es der Armee rund um Tschassiw Jar bislang, alle russischen Angriffe zurückzudrängen, Moskaus Truppen seien "auf dem Rückzug". Der russische Gegner versuche indes, die umliegenden Ortschaften Bohdaniwka und Iwaniwske direkt anzugreifen und zugleich Offensivaktionen zwischen diesen beiden Orten auszuführen.
Das in der Region Donezk gelegene Tschassiw Jar scheint das nächste große Ziel von Moskaus Armee zu sein. Die strategisch wichtige Kleinstadt liegt einige Kilometer westlich von Bachmut, das Russland im vergangenen Mai nach monatelangen, heftigen Kämpfen eingenommen hatte.
In Tschassiw Jar wohnen nach Angaben des Bürgermeisters derzeit nur noch 770 Menschen, die Vorkriegsbevölkerung belief sich auf rund 13.000. Sollte den russischen Streitkräften die Eroberung gelingen, könnten sie ihre Angriffe auf die 30 Kilometer weiter südöstlich gelegene, von Kiew kontrollierte Großstadt Kramatorsk im Donbass ausweiten.
Kramatorsk ist die wichtigste Stadt der Region unter ukrainischer Kontrolle - und ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt mit zentraler Bedeutung für die Logistik der Armee.
Unter heftigen russischen Beschuss geriet am Wochenende erneut auch die Millionenstadt Charkiw im Osten des Landes. Bei Angriffen mit Raketen und Drohnen wurden nach ukrainischen Behördenangaben vom Samstag mindestens sieben Menschen getötet und zwölf weitere verletzt.
Die Ukraine wird fast jede Nacht aus Russland angegriffen, die grenznahe Stadt Charkiw ist dabei besonders oft im Visier russischer Truppen. Ukrainische Behörden fordern die westlichen Verbündeten regelmäßig auf, mehr Luftabwehrsysteme zu liefern, darunter moderne Patriot-Systeme aus den USA. Staatschef Selenskyj bekräftigte nach den erneuten Angriffen auf Charkiw diese Forderung.
Russland fing dem Verteidigungsministerium in Moskau zufolge seinerseits am Sonntag in den an die Ukraine grenzenden Regionen Belgorod und Brjansk 15 ukrainische Drohnen ab. Nach Angaben des Gouverneurs der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, wurde bei den Drohnenangriffen eine Frau durch ein Schrapnell getötet.
Das von russischen Truppen besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja wurde unterdessen nach russischen Angaben von einer ukrainischen Drohne getroffen. Die ukrainische Armee habe die Kuppel des Kraftwerksblocks angegriffen, erklärte die von Moskau kontrollierte Kraftwerksverwaltung in Online-Netzwerken. Es sei jedoch keine Radioaktivität ausgetreten. Der russischen Atombehörde Rosatom zufolge wurde die Kraftwerkskantine getroffen, ein Angestellter sei schwer verletzt worden.
W.Odermatt--NZN