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Die heftige Kontroverse in den USA um das Abtreibungsrecht entwickelt sich für Ex-Präsident Donald Trump zunehmend zu einem für ihn heiklen Wahlkampfthema. Der voraussichtliche erneute Präsidentschaftskandidat der Republikaner kritisierte am Mittwoch eine Gerichtsentscheidung im Bundesstaat Arizona, mit der ein drakonisches Abtreibungsverbot aus dem Jahr 1864 für gültig erklärt wurde. Zugleich plädierte Trump aber erneut dafür, die Zuständigkeit für das Abtreibungsrecht bei den Bundesstaaten zu belassen.
Auf die Reporterfrage, ob die Richter in Arizona mit ihrer Entscheidung "zu weit" gegangen seien, sagte Trump: "Ja, das sind sie, und das wird wieder in Ordnung gebracht." Er äußerte die Erwartung, dass die dortige Gouverneurin "und alle anderen zu etwas Vernünftigem zurückkehren werden, und ich denke, das wird sehr schnell erledigt sein". Zugleich bekräftigte Trump seine Position, dass jeder Bundesstaat für sich über die Abtreibungsgesetzgebung entscheiden solle: Dies sei "der Wille des Volkes".
Die jüngsten Äußerungen des Präsidentschaftsbewerbers illustrieren, dass er sich bei der Abtreibungsthematik in einem Balanceakt befindet. Die von ihm genannte Gouverneurin von Arizona, Katie Hobbs, von der er eine Korrektur der dortigen Abtreibungsgesetzgebung erwartet, gehört der Demokratischen Partei von Präsident Joe Biden an, gegen den Trump bei der Wahl im November in einer Neuauflage des Duells von 2020 erneut antreten will.
Hobbs hatte nach der Gerichtsentscheidung vom Dienstag von einem "schwarzen Tag" für Arizona gesprochen und das 160 Jahre alte Gesetz als das "extremste Abtreibungsverbot des Landes" bezeichnet. Dieses sieht Haftstrafen von bis zu fünf Jahren für Ärzte vor, die eine Abtreibung ausführen.
Die Zuständigkeit für die Abtreibungsregelungen liegt bei den Bundesstaaten, seit das konservativ dominierte Oberste Gericht der USA im Jahr 2022 das seit fünf Jahrzehnten gültige landesweite Recht auf Abtreibung gekippt hatte - ein Urteil, das einen lange gehegten Wunschtraum vieler Konservativer erfüllte und ein politisches Erdbeben auslöste.
Seit dem Urteil des Obersten Gerichts haben rund 20 konservativ geprägte Bundesstaaten das Recht auf Abtreibung abgeschafft oder drastisch eingeschränkt. Trump rühmt sich immer wieder, dieses höchstrichterliche Urteil durch die Nominierung dreier konservativer Richter ermöglicht zu haben - auch am Mittwoch brüstete er sich wieder damit.
Der Rechtspopulist genießt starken Rückhalt bei der religiösen Rechten, die Abtreibungen strikt ablehnt. Auf der anderen Seite muss Trump aber befürchten, dass ihm das Abtreibungsthema die wichtigen Stimmen vieler Wählerinnen kosten könnte. Vor diesem Hintergrund hat Trump in den vergangenen Monaten gemischte Signale ausgesendet.
Am Montag sprach er sich dann aber in einer Videobotschaft gegen ein landesweites Verbot von Abtreibungen aus, wie es viele Konservative anstreben - und löste damit offen artikulierten Unmut bei einigen prominenten Republikanern aus.
Trumps früherer Vizepräsident Mike Pence, ein evangelikaler Christ, nannte Trumps Stellungnahme eine "Ohrfeige" für die Millionen von Abtreibungsgegnern, die 2016 und 2020 für ihn gestimmt hätten. Der einflussreiche Senator Lindsey Graham, eigentlich ein loyaler Trump-Verbündeter, plädierte für eine landesweite Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch.
Biden und seine Demokraten setzen hingegen darauf, mit ihrem Eintreten für ein liberales Abtreibungsrecht bei der Wahl im November in der weiblichen Wählerschaft punkten zu können. Die Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will, dass Abtreibungen legal bleiben.
Das Thema hat den Demokraten bereits bei den Kongresswahlen 2022 und anderen Wahlen zu Erfolgen verholfen. Auch erzielten seit dem Urteil des Supreme Court Befürworter eines liberalen Abtreibungsrechts Erfolge in mehreren Referenden. Arizona, das jetzt in das Zentrum der Abtreibungskontroverse rückte, gehört zu den "swing states" - also jenen Bundesstaaten, die für den Ausgang der Präsidentschaftswahl entscheidend sind.
N.Zaugg--NZN