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Bei seinem bevorstehenden China-Besuch will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Führung in Peking ermuntern, ihren Einfluss auf Russland geltend zu machen und auf ein Ende des Angriffskriegs in der Ukraine zu drängen. "Auch China kann klar machen, dass dieser unsinnige imperialistische Krieg enden muss", sagte Scholz der Tageszeitung "taz" (Wochenendausgabe). Seine Erwartung gegenüber Peking sei, "dass China Russland nicht dabei unterstützt, gegen seinen Nachbarn Ukraine einen brutalen Krieg zu führen".
Scholz wird am Sonntag zu einem dreitägigen Besuch in China eintreffen. Die Bundesregierung misst der Zusammenarbeit mit der Volksrepublik höchste Bedeutung bei - räumt aber ein, dass das Verhältnis "unglaublich komplex und facettenreich" ist, wie es aus dem Umfeld des Kanzlers hieß. Scholz will mit der chinesischen Staatsführung über aktuelle Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten sprechen, aber auch die Handelsbeziehungen und die Zusammenarbeit bei globalen Problemen wie dem Klimawandel thematisieren.
Auch die Drohungen Pekings gegenüber Taiwan und die Unterdrückung von Minderheiten in China will Scholz nach eigenen Angaben ansprechen. "Es gibt eine Reihe von Themen, bei denen wir klare Differenzen mit China haben", sagte er in dem Interview mit der "taz". "Ein Dialog auf Augenhöhe bedeutet für mich, auch über solche Themen offen zu sprechen", sagte er weiter. "Ich werde mich jedenfalls nicht entschuldigen, bevor ich solche Themen anspreche."
Der Umgang mit den Menschenrechten zählt zu den beständigen Konfliktthemen im deutsch-chinesischen Verhältnis. Menschenrechtsgruppierungen werfen der Volksrepublik hier schwerste Verletzungen vor.
Scholz traf sich nach Regierungsangaben in Berlin mit Vertretern von Nichtregierungsorganisationen, um mit ihnen über die Lage zu sprechen. Er will vor Ort in China aber eher diskret mit dem Thema Menschenrechte umgehen, hieß es aus Regierungskreisen: "Es ist nicht so, dass das öffentlich Wellen schlagen wird."
Auf einer Pressekonferenz in Berlin kündigte der Kanzler zudem an, dass er sich in China für einen besseren Marktzugang für deutsche Unternehmen und für eine Stärkung ihrer rechtlichen Stellung stark machen wolle: Schließlich sei die Volksrepublik ein "wirklich wichtiger Wirtschaftspartner für Deutschland".
Begleitet wird der Kanzler von einer großen Wirtschaftsdelegation. Einer Umfrage der Deutschen Auslandshandelskammer in China zufolge fühlen sich fast zwei Drittel der dort tätigen deutschen Unternehmen unfair behandelt.
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg setzt die Bundesregierung auf eine stärkere Vermittlerrolle Chinas. Peking habe "wegen der engen Beziehungen zwischen China und Russland die Möglichkeit, auf Russland einzuwirken", hieß es aus dem Umfeld des Kanzlers.
In Berlin wurde die geplante Argumentationslinie des Kanzlers in seinen Gesprächen mit der chinesischen Führung skizziert: Scholz wolle klar machen, dass die Unterstützung Russlands "einen negativen Effekt hat für China in Europa", hieß es. Wenn sich China "so eindeutig an die Seite des Aggressors" stelle, dann betreffe dies die "Kerninteressen Deutschlands und Europas".
Auch China habe schließlich Interesse an einem stabilen internationalen Umfeld und an profitablen Handelsbeziehungen - und dies werde durch den russischen Krieg in der Ukraine beeinträchtigt.
Russland und China hatten ihre Beziehungen seit dem Beginn der russischen Offensive in der Ukraine im Februar 2022 vertieft. Peking ist mittlerweile einer der wichtigsten Handelspartner Moskaus. Diesen Hebel will Scholz nutzen.
Mit Sorge wurde in Berlin auf die Lieferung so genannter Dual-use-Güter aus China nach Russland verwiesen - dies sind Güter, die zwar keine Waffen darstellen, aber militärisch genutzt werden können.
Erste Station der Kanzlerreise wird am Sonntag die 33-Millionen-Einwohner-Stadt Chongqing sein. Am Montag reist er dann in die Hafenstadt Shanghai weiter. An den ersten beiden Tagen sollen Wirtschafts- und Technologiefragen im Mittelpunkt stehen. Die politischen Gespräche sind für Dienstag in Peking geplant. Dort trifft der Kanzler Präsident Xi Jinping und Ministerpräsident Li Qiang.
H.Roth--NZN