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Im Wettbewerb mit den USA muss die Europäische Union ihre Wirtschaft nach Einschätzung eines am Mittwoch veröffentlichten Binnenmarktberichts dringend konkurrenzfähiger machen. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte Italiens ehemaliger Regierungschef Enrico Letta, der mit dem Bericht beauftragt worden war, am Mittwoch in Brüssel. Letta soll seine Vorschläge am Donnerstag den EU-Staats- und Regierungschefs vorstellen, im Mittelpunkt stehen Reformen an den europäischen Finanzmärkten.
"Der Abstand zu den USA, zu den großen Volkswirtschaften der Welt wächst", warnte Letta vor Journalisten in Brüssel. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft in der EU nur leicht um 0,5 Prozent, in den USA waren es 2,5 Prozent. Die EU fürchtet vor allem, bei Technologien wie Wind- und Solarenergie, Batterien, Halbleitern und Künstlicher Intelligenz abgehängt zu werden.
Allein für die Umstellung auf grüne und digitale Technologien rechnet die EU-Kommission in den kommenden Jahren mit einem zusätzlichen Investitionsbedarf von rund 620 Milliarden Euro. Um größere Investitionen zu ermöglichen, sei ein EU-weit gemeinsamer Kapitalmarkt "von zentraler Bedeutung", erklärte Letta.
Bislang sei der europäische Markt "zu fragmentiert und nicht attraktiv genug". Die 27 Mitgliedstaaten haben etwa ein eigenes Insolvenzrecht für Unternehmen und eigene Aufsichtsbehörden, Investitionen über Grenzen hinweg sind deshalb häufig kompliziert. Startups, die digitale Technologien entwickeln oder mit erneuerbaren Energien arbeiten, bekommen in der EU daher deutlich weniger Startkapital als etwa in den USA.
Letta schlägt deshalb etwa eine Angleichung der Regeln in den Mitgliedstaaten vor. Die europäische Aufsichtsbehörde ESMA soll den Vorschlägen zufolge zudem mehr Macht bekommen, eine solche Reform ist unter den EU-Ländern bislang allerdings umstritten.
Auch in den Bereichen Energie, Telekommunikation und Verteidigung gebe es zu große Unterschiede in den nationalen Gesetzen, heißt es in dem Bericht. "Die Fragmentierung ist vor allem für kleine und mittlere Unternehmen ein großes Hindernis", erklärte Letta.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) rief die EU-Gesetzgeber deshalb auf, sich für eine "einheitliche Durchsetzung des Rechts in der ganzen EU" einzusetzen. DIHK-Justiziar Stephan Wernicke kritisierte jedoch, Letta konzentriere sich in seinem Bericht auf "langfristige oder überaus teure Ideale" wie die Finanzmarktreform. Die EU müsse sich zuerst auf "vor Ort drängende Themen" konzentrieren.
Die europäische Verbraucherorganisation BEUC begrüßte Lettas Vorschläge für grenzüberschreitende Anlagen für Kleinanleger und ein besseres europäisches Eisenbahnnetz. Die vorgeschlagenen Reformen dürften aber nicht zu Monopolen für einige große Unternehmen und damit für höhere Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher führen, warnte BEUC-Direktorin Monique Goyens.
S.Scheidegger--NZN