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Um mit den USA und China wirtschaftlich mithalten zu können, will die EU die Größe ihres Binnenmarktes besser nutzen. "Auf europäischer Ebene gibt es ein gigantisches Finanzvolumen", das es mit Blick auf den Klimawandel, die Digitalisierung und geopolitische Krisen zu nutzen gelte, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel. Vorschläge für eine Vereinheitlichung des Finanzmarktes sehen eine Reihe kleinerer Mitgliedstaaten allerdings skeptisch.
Der europäische Finanzmarkt sei "zu fragmentiert und nicht attraktiv genug", sagte der ehemalige italienische Regierungschef Enrico Letta. In Brüssel stellte er einen Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU vor, den er im Auftrag der Mitgliedstaaten erarbeitet hatte.
Entsprechende Reformvorhaben sollen in einer gemeinsamen Gipfel-Erklärung der Mitgliedstaaten umrissen werden. Ein erster Entwurf von Michel sorgte seitens mehrerer kleinerer Staaten allerdings auch für Kritik. Estlands Regierungschefin Kaja Kallas und ihr irischer Amtskollege Simon Harris etwa sprachen sich gegen eine Anpassung der Steuersysteme aus.
"Als kleines Land haben wir nicht viele Wettbewerbsvorteile", erklärte Kallas. Dazu gehöre ein "sehr kompetitives Steuersystem", das die EU Estland nicht "wegnehmen" dürfe. Es gebe "breite Bedenken" gegen eine Vereinheitlichung des Steuerrechts für Unternehmen, betonte auch Irlands Regierungschef Harris.
Die Finanzmarktreform soll für größere private und öffentliche Investitionen in der EU sorgen. Bislang gelten in den 27 EU-Ländern unterschiedliche Regeln für die Besteuerung und das Insolvenzrecht von Unternehmen. Investitionen über Grenzen hinweg sind deshalb häufig kompliziert.
Die kleineren EU-Staaten befürchten dadurch auch noch umfangreichere staatliche Hilfen für Unternehmen in großen Ländern wie Deutschland und Frankreich. "Das Rennen um Subventionen, in dem Staaten Subventionen zahlen und wir miteinander konkurrieren, ist schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit", sagte Kallas.
Umstritten ist auch eine Zentralisierung der Überwachung der Finanzmärkte bei der europäischen Aufsichtsbehörde ESMA mit Sitz in Paris, wie sie Frankreich vorschlägt. Staaten wie Luxemburg sind dagegen: "Wir müssen vermeiden, dass wir alles überbürokratisieren, überregulieren und auch überzentralisieren", sagte Luxemburgs Regierungschef Luc Frieden. "Nicht alles, was im Vorschlag der Schlussfolgerung steht, findet unsere Zustimmung."
Neben dem Finanzmarkt plädiert Letta in seinem Bericht vor allem für einheitliche Regeln im Energie- und Telekommunikationssektor. Auf diesen Märkten gebe es "seit Jahren" Hindernisse für Unternehmen. "Wir haben keine Zeit zu verschwenden", warnte der Italiener mit Blick auf den Wettbewerb mit den USA und China.
Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft in der EU nur leicht um 0,5 Prozent, in den USA waren es 2,5 Prozent. Die EU fürchtet vor allem, bei Technologien wie Wind- und Solarenergie, Batterien, Halbleitern und Künstlicher Intelligenz abgehängt zu werden.
A.Ferraro--NZN