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Zum Auftakt des Prozesses gegen Thüringens AfD-Chef Björn Höcke wegen des Vorwurfs der Verwendung von NS-Vokabular ist es noch vor Anklageverlesung zu Verzögerungen gekommen. Höckes Anwälte stellten am Donnerstag vor dem Landgericht Halle an der Saale wiederholt Anträge, über welche die Kammer zunächst beraten musste. Eine der beiden Anklagen gegen den AfD-Politiker, der die verbotene Parole "Alles für Deutschland" der sogenannten Sturmabteilung (SA) der nationalsozialistischen Partei NSDAP verwendet hatte, wurde abgetrennt.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem von Verfassungsschützern als Rechtsextremist bezeichneten Höcke das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen vor. Er hatte Ende Mai 2021 im sachsen-anhaltischen Merseburg bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung am Ende seiner Rede "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland" gesagt.
Nach Überzeugung der Ankläger wusste der AfD-Rechtsaußenpolitiker, der vor seiner politischen Karriere viele Jahre als Gymnasiallehrer für Geschichte in Hessen unterrichtet hatte, um die Bedeutung und die Herkunft der Parole. Höcke bestritt das im Vorfeld des Prozesses.
Auch in einer zweiten Anklage geht es um die Verwendung der SA-Parole bei einer AfD-Veranstaltung im thüringischen Gera. Diese Anklage wurde allerdings unmittelbar vor Prozessbeginn abgetrennt. Grund war nach Angaben einer Gerichtssprecherin ein kurzfristiger Wechsel bei Höckes Verteidigern, weswegen zu wenig Vorbereitungszeit blieb. Es ist aber nicht ausgeschlossen, das diese Anklage später wieder in den laufenden Prozess eingebunden wird.
Angesichts der Landtagswahl in Thüringen am 1. September steht das Verfahren unter besonderer Beobachtung. Bis Donnerstagmittag hatten die Staatsanwälte aber zunächst keine Möglichkeit, ihre Anklage zu verlesen. Staatsanwalt Benedikt Bernzen warf den drei Anwälten von Höcke vor, das Verfahren mit ihren Anträgen und Beschwerden "zu torpedieren".
Einen Antrag der Verteidigung auf einen Tonmitschnitt des Prozesses lehnte die Kammer um den Vorsitzenden Richter Jan Stengel ab. Höckes Anwälte begründeten den Antrag mit der "historischen Relevanz" des Prozesses sowie damit, dass ihrem Mandanten "ein faires Verfahren" ermöglicht werden solle. Nach Ansicht der Kammer ist ein faires Verfahren auch ohne Mitschnitt gewährleistet.
In weiteren Anträgen forderte die Verteidigung eine Unterbrechung der Verhandlung und eine höchstrichterliche Entscheidung zu der Frage, warum der Fall nicht am Amtsgericht Merseburg verhandelt wird. Das sachsen-anhaltische Oberlandesgericht Naumburg hatte dem Landgericht Halle wegen der Dimension des Falls und dem öffentlichen Interesse die Zuständigkeit zugewiesen.
Höcke selbst verfolgte die Verhandlung teils mit scheinbarer Gelassenheit, teils zeigte sein Gesicht aber auch Anspannung. Sein Anwalt Philip Müller sprach von einer "massiven Vorverurteilung" seines Mandanten schon vor Prozessbeginn und kritisierte eine Medienberichterstattung "in einem stark aufgeheizten und polarisierenden Ton".
Für den Prozess in Halle sind bislang weitere Verhandlungstermine bis zum 14. Mai eingeplant. Bei einer Verurteilung drohen Höcke bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.
Die Verhandlung findet wegen des großen öffentlichen und medialen Interesses im Justizzentrum Halle mit besonderen Sicherheitskontrollen statt. Zum Prozessauftakt versammelten sich dort am Donnerstag dutzende Demonstranten, um gegen die AfD zu protestieren. Sie trugen Plakate wie "AfD stoppen" und "Björn Höcke ist ein Nazi". Zu der Kundgebung aufgerufen hatte die Initiative Halle gegen Rechts.
Höcke ist Spitzenkandidat der AfD für die Landtagswahl Anfang September. Die AfD liegt in den Umfragen seit Monaten vorn. Höcke selbst will Ministerpräsident werden, allerdings will keine andere Partei mit der AfD koalieren. Laut Thüringer Wahlgesetz könnte eine Verurteilung Höckes theoretisch Folgen für seine Wählbarkeit haben.
In Thüringen kommt auf Höcke, der Vorsitzender der Landespartei und der AfD-Landtagsfraktion ist, indes ein weiterer Prozess zu. Das Landgericht Mühlhausen ließ Ende Januar eine Anklage wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen den AfD-Politiker zu. Es geht dabei um einen Beitrag von Höcke aus dem Jahr 2022 im Social-Media-Dienst Telegram nach einem tödlichen Messerangriff eines Somaliers in Rheinland-Pfalz.
G.Kuhn--NZN