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Vor dem Türkei-Besuch von Frank-Walter Steinmeier hat der Außenexperte der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, Kritik am außenpolitischen Auftreten des Bundespräsidenten geübt. "Bundespräsident Steinmeier ist leider nicht für klare Ansprachen im Ausland bekannt", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete der Nachrichtenagentur AFP. Bei seinem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan müsse Steinmeier Klartext reden. "Ich wünschte, er würde die Freiheiten seines Amtes mehr nutzen, so wie es sein Vorgänger wohldosiert tat", sagte Hardt mit Blick auf Altbundespräsident Joachim Gauck.
Gauck hatte bei seinem Staatsbesuch als Bundespräsident vor zehn Jahren in der Türkei ungewöhnlich deutliche Kritik an Defiziten bei Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit geübt - und damit einen Eklat provoziert: Der damalige Ministerpräsidenten Erdogan kritisierte Gaucks Worte als "hässlich" und warf dem Bundespräsidenten eine Einmischung in innertürkische Angelegenheiten vor.
Unions-Außenexperte Hardt forderte Steinmeier auf, bei seinem Gespräch mit Erdogan - der inzwischen als Präsident amtiert - die fortbestehenden Kritikpunkte offen anzusprechen. Als Bundespräsident sei Steinmeier anders als in seinem früheren Amt aus Außenminister "nicht mehr deutscher Chefdiplomat", sagte Hardt. Er müsse "die Befremdung eines großen Teils der Deutschen über die türkische Politik und das Auftreten der AK-Partei in Deutschland zum Ausdruck bringen".
Hardt verwies auf gravierende Defizite in der Türkei. "Willkürliche Verhaftungen ohne legitime rechtliche Basis von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten kommen immer wieder vor, während staatliche Korruption grassiert", sagte er. Zudem werde den Kurden die politische Teilhabe "massiv erschwert".
Die Erfolge der türkischen Opposition bei den jüngsten Kommunalwahlen "können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Regierung immer weiter Anstrengungen unternimmt, um an der Macht zu bleiben und die politische Kultur der Türkei zu verändern", sagte Hardt.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier reist am Montag zu seinem ersten Besuch seit Amtsantritt vor sieben Jahren in die Türkei. Anlass der Reise ist das 100. Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und der Republik Türkei.
Die politischen Beziehungen sind derweil angespannt. Deutschland attestiert der Türkei Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Menschenrechte. In der Nahost-Politik verfolgt die Türkei mit ihrer Unterstützung für die radikalislamische Hamas einen anderen Ansatz als die Bundesregierung.
Am Samstag hatte Erdogan den Hamas-Chef Ismail Hanija empfangen. Die EU stuft die Hamas als Terrororganisation ein. Erdogan betrachtet sie hingegen als legitime "Widerstandsgruppe" gegen Israel.
Steinmeier will bei seinem Besuch vor allem die engen Verbindungen zwischen den beiden Gesellschaften hervorheben und insbesondere die Lebensgeschichten und Lebensleistungen der Millionen türkeistämmigen Menschen in Deutschland würdigen. Sein Besuch beginnt am Montag in Istanbul. Den türkischen Präsidenten soll Steinmeier am Mittwoch in Ankara treffen.
P.E.Steiner--NZN