DAX
-179.8000
Einen Tag nach der Verabschiedung eines milliardenschweren Ukraine-Hilfspakets durch das US-Repräsentantenhaus hat Russland weitere Geländegewinne im Osten der Ukraine gemeldet. Russische Einheiten hätten das ostukrainische Dorf Bogdaniwka nahe der strategisch wichtigen Stadt Tschassiw Jar erobert, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau am Sonntag. Die Ukraine setzte derweil nach eigenen Angaben ein russisches Marineschiff vor der russisch besetzten Schwarzmeer-Halbinsel Krim außer Gefecht.
Bogdaniwka liegt zwischen Bachmut und der seit Wochen heftig umkämpften Frontstadt Tschassiw Jar. Das Dorf sei "vollständig befreit", erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Eine Eroberung von Tschassiw Jar würde der russischen Armee die Möglichkeit eröffnen, die Stadt Kramatorsk ins Visier zu nehmen, einen wichtigen Knotenpunkt für den Zugverkehr und die Logistik der ukrainischen Truppen.
Die ukrainische Armee erwähnte Bogdaniwka nicht in ihrem täglichen Bericht, zuletzt hatte sie die Lage nahe Tschassiw Jar jedoch als "schwierig und angespannt" bezeichnet. In Tschassiw Jar lebten vor Beginn des Konflikts rund 13.000 Menschen. Wegen der Kämpfe sind die meisten von ihnen geflohen, die Stadt ist weitgehend zerstört.
Die russische Armee befindet sich seit Monaten an verschiedenen Punkten der rund tausend Kilometer langen Frontlinie im Osten und Süden der Ukraine in der Offensive. Die ukrainische Armee leidet dagegen unter Munitionsmangel und Schwierigkeiten bei der Rekrutierung neuer Soldaten.
Das US-Repräsentantenhaus hatte am Samstag nach monatelanger Blockade ein Hilfspaket im Umfang von rund 61 Milliarden Dollar (rund 57 Milliarden Euro) für die Ukraine auf den Weg gebracht. Die Gesetzesentwürfe müssen noch vom Senat verabschiedet und anschließend von Präsident Joe Biden unterzeichnet werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte das US-Votum am Sonntagabend bei der Hannover Messe "eine sehr klare Botschaft - übrigens auch an den russischen Präsidenten, dass er nicht damit rechnen soll, dass er diesen Krieg aussitzen kann, weil die Unterstützung aus Europa oder den USA nachlässt".
Vor der Abstimmung hatte der Kreml die Bedeutung der US-Hilfen für die Ukraine heruntergespielt: Diese würden "in keiner Weise die Entwicklung der Situation an der Front beeinflussen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Donnerstag. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, legte am Sonntag nach: "Die fieberhaften Versuche, das neonazistische Regime des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu retten, sind zum Scheitern verurteilt", sagte sie.
Nach den Worten von Selenskyj verhindert der US-Beschluss zur weiteren Ukraine-Hilfe ein "zweites Afghanistan". "Diese Hilfe wird die Ukraine stärken und dem Kreml ein starkes Signal senden, dass sie nicht das zweite Afghanistan sein wird", sagte er am Sonntag in einem Interview mit dem US-Sender NBC.
Die Hilfen, darunter 14 Milliarden Dollar für die Ausbildung und Ausrüstung der ukrainischen Armee, werden laut einer Einschätzung des Washingtoner Instituts für Kriegsfragen (ISW) allerdings "erst in einigen Wochen Auswirkungen auf die Lage an der Front haben".
Unterdessen meldete das ukrainische Verteidigungsministerium den Beschuss eines russischen Marineschiffs vor der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. "Heute hat die ukrainische Marine das russische Rettungsschiff 'Kommuna' in der vorübergehend besetzten Krim getroffen", erklärte das Ministerium im Onlinedienst X. Das Ausmaß der Schäden werde noch geprüft.
Der Sprecher der ukrainischen Marine, Dmytro Pletentschuk, erklärte, das Schiff sei jedenfalls "nicht mehr in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen". "Das wird so weiter gehen, bis die Russen keine Schiffe mehr haben oder eben die Krim verlassen", drohte er. In Online-Netzwerken wurden Videobilder veröffentlicht, die ein in Flammen stehendes Schiff im Krim-Hafen Sewastopol zeigen sollen.
Der von Moskau eingesetzte Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, hatte zuvor erklärt, die russische Armee habe "einen Angriff durch eine Anti-Schiffsrakete" auf ein Schiff in Sewastopol im Südosten der Krim abgewehrt. Herabgestürzte Raketenfragmente hätten einen kleinen Brand verursacht, der aber schnell gelöscht worden sei. Den Namen des Schiffs nannte der Gouverneur nicht.
Zuvor hatten ukrainische Behörden weitere Tote und Verletzte bei erneuten russischen Angriffen gemeldet. Nach Angaben der örtlichen Staatsanwaltschaft beschoss Russland am Sonntag die Stadt Ukrainsk in der östlichen Region Donezk. Dabei seien eine 82-jährige Frau getötet und vier Männer im Alter von 21 bis 53 Jahren verletzt worden. Bei einem Raketenangriff auf die südliche Region Odessa wurden demnach mehrere Wohnhäuser beschädigt.
B.Brunner--NZN