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In Stuttgart hat am Montag der erste von drei geplanten Großprozessen rund um die Gruppe mutmaßlicher Reichsbürger begonnen, die den Sturz der deutschen Demokratie geplant haben soll. Die am Oberlandesgericht verlesene Anklage klang teils bizarr - doch barg die Gruppe nach Auffassung der Bundesanwaltschaft ein "erhebliches Gefährdungspotenzial". Ihre Mitglieder sollen an verschiedene Verschwörungsmythen geglaubt und die demokratische Ordnung abgelehnt haben.
Wie die Anklagevertreter vortrugen, sollen die Angeklagten davon überzeugt gewesen sein, dass Deutschland von einer "verschwörerischen Sekte pädophiler Eliten" beherrscht werde, deren Gegenspieler eine sogenannte Allianz sei - ein Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Militärs verschiedener Staaten wie Russland und den USA. Von dieser - in Wirklichkeit nicht existierenden - "Allianz" sollen sie sich die Befreiung Deutschlands erhofft haben.
Dabei soll die Gruppe zunächst geplant haben, den Umsturz mit einem Angriff auf den Bundestag und der Festnahme von Abgeordneten zu erreichen. Sie sei davon überzeugt gewesen, dass die Bevölkerung "aufwachen" und sich hinter sie stellen werde, führte ein Vertreter der Bundesanwaltschaft aus. Die Mitglieder hätten gewusst, dass es bei der von ihnen geplanten Machtübernahme Tote geben könnte.
Nach dem Umsturz habe der als provisorisches Staatsoberhaupt vorgesehene Heinrich XIII. Prinz Reuß mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs die neue staatliche Ordnung Deutschlands verhandeln sollen. Den Vorwürfen zufolge sah die Gruppe ihr eigenes zentrales Gremium, den sogenannten Rat, als Übergangsregierung für Deutschland.
Nach der Festnahme von mutmaßlichen Anführern einer anderen Gruppe, welche unter anderem die Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben soll, habe die Gruppe um Reuß nach April 2022 ihre Strategie geändert. Nun habe sie darauf gesetzt, dass die "Allianz" ihr an einem Tag X ein Zeichen geben werde, dass sie die obersten Institutionen Deutschlands angreife. Die Gruppe selbst habe geplant, dann Institutionen und Amtsträger auf den Ebenen von Bundesländern, Kreisen und Kommunen zu beseitigen.
Vor allem hier kommen die Vorwürfe gegen die insgesamt neun Angeklagten ins Spiel, die in Stuttgart vor Gericht stehen. Sie sollen größtenteils dem militärischen Arm der Gruppe angehört haben. Der Anklage zufolge begann die Gruppe mit dem Aufbau sogenannter Heimatschutzkompanien, die den Umsturz auf regionaler Ebene hätten durchsetzen sollen. Die Vorbereitungen seien in Baden-Württemberg und Thüringen besonders weit gewesen: Hier seien zwei örtliche Heimatschutzkompanien schon in der Lage gewesen, eigenständig aktiv zu werden.
In Stuttgart ist auch Marco van H. angeklagt, der sich gegenüber den Rädelsführern als ehemaliger Soldat der "Allianz" ausgegeben haben soll. Er soll dann, so der Vorwurf, zum Verbindungsoffizier der Gruppe zu diesem nicht existierenden Geheimbund ernannt worden sein. Alexander Q. soll der Gruppe seinen erfolgreichen Kanal auf Telegram zur Verfügung gestellt haben, der als ihr "Sprachrohr" fungiert habe.
Allen neun in Stuttgart Angeklagten wirft die Bundesanwaltschaft die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vor. Zwei von ihnen sind außerdem wegen Waffendelikten und ein Mann, Markus L., zusätzlich wegen versuchten Mordes angeklagt. Nach den ersten Festnahmen im Dezember 2022 hätten die Ermittler eine von ihm unterschriebene Verschwiegenheitserklärung der Gruppe gefunden, sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft.
Im März 2023 wurde L.s Wohnung im baden-württembergischen Reutlingen durchsucht. Er soll sich darauf vorbereitet und Waffen in Wohnzimmer, Schlafzimmer und Garage postiert haben. Bei der Durchsuchung soll er dann mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr gezielt auf Polizisten geschossen haben. Zwei Beamte wurden verletzt, einer von ihnen kann wegen der Verletzungen nach Angaben der Anklage voraussichtlich nicht mehr in seiner bisherigen Stellung im baden-württembergischen Sondereinsatzkommando bleiben.
Mehrere Verteidiger stellten am Montag den Antrag, das Verfahren in Stuttgart einzustellen oder auszusetzen. Sie wollten, dass es mit den beiden anderen geplanten Großverfahren in München und Frankfurt am Main verbunden wird. Das Gericht stellte eine Entscheidung darüber erst einmal zurück und lehnte es ab, die Hauptverhandlung auszusetzen.
Die Verhandlung sollte am Nachmittag fortgesetzt werden. Das Stuttgarter Oberlandesgericht setzte vorläufig Verhandlungstage bis Anfang Januar 2025 an. Der Prozess in Frankfurt, in dem Reuß selbst sowie die frühere AfD-Bundestagsabgeordnete und Richterin Birgit Malsack-Winkemann vor Gericht stehen, beginnt am 21. Mai, der Münchner Prozess am 18. Juni. Insgesamt sind 26 Menschen angeklagt. Die drei Mammutprozess stellen aber nicht das Ende der Ermittlungen dar: Nach Angaben der Bundesanwaltschaft unterschrieben mindestens 136 Menschen die Verschwiegenheitserklärung der Gruppe.
T.L.Marti--NZN