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Der Fall der schwer umkämpften Hafenstadt Mariupol würde dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zufolge das endgültige Aus der Gespräche mit Russland bedeuten. Für beide Seiten wäre dies eine "Sackgasse, denn wir verhandeln weder über unsere Territorien noch über unsere Leute", sagte Selenskyj am Samstag. Sein russischer Kollege Wladimir Putin glaubt dem österreichischen Bundeskanzler Karl Nehammer zufolge ohnehin, dass "er den Krieg gewinnt".
Die Gespräche zwischen den Kriegsparteien hatten in den vergangenen Wochen keine Ergebnisse gebracht. Putin hatte selbst gesagt, dass sie in einer "Sackgasse" angelangt seien.
Mariupol wird seit den ersten Tagen nach dem russischen Einmarschs am 24. Februar belagert. Inzwischen ist die einst über 400.000 Einwohner zählende Stadt im Südosten weitgehend zerstört, die humanitäre Lage ist katastrophal. Selenskyj sprach kürzlich von "zehntausenden" Toten durch die Belagerung. Am Samstag warf er Russland erneut vor, keine Fluchtkorridore zuzulassen.
Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte Mitte der Woche erklärt, dass die russischen Truppen die volle Kontrolle über den Hafen von Mariupol erlangt hätten. Das Ministerium fügte hinzu, dass die ukrainischen Truppen in einem Industriegebiet eingekesselt worden seien. "Ihre einzige Chance, ihr Leben zu retten, besteht darin, freiwillig die Waffen niederzulegen und sich zu ergeben", erklärte das Ministerium am Samstag. Die Lage sei "sehr schwierig", sagte Selenskyj dazu.
Selenskyj sagte ukrainischen Medien, dass die Ukraine sich darauf vorbereiten müsse, dass Russland im weiteren Verlauf des Konflikts Atomwaffen einsetzen könnte. Der ukrainische Präsident hatte bereits am Vortag gesagt, Russland könnte aus Verzweiflung über militärische Rückschläge Atomwaffen oder chemische Waffen einsetzen.
Österreichs Regierungschef Nehammer sagte indessen dem US-Sender NBC, dass sich Putin "jetzt in seiner eigenen Kriegslogik" befindet. "Ich glaube, er glaubt, dass er den Krieg gewinnt." Nehammer hatte Putin am Montag in Moskau getroffen.
Die russischen Streitkräfte verstärkten unterdessen nach zwei Wochen relativer Ruhe wieder ihre Luftangriffe auf Kiew. Am Samstag griffen sie unter anderem eine Panzerfabrik in der ukrainischen Hauptstadt an. Bei dem Beschuss mit "hochpräzisen Langstreckenwaffen" seien Produktionsgebäude der Fabrik zerstört worden, teilte das russische Verteidigungsministerium auf Telegram mit. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko berichtete, dass ein Mensch getötet und mehrere weitere durch Explosionen verletzt worden seien.
Russische Truppen hatten am Freitag bereits einen Rüstungskomplex nahe der Hauptstadt angegriffen, in dem laut der Website des staatlichen Rüstungskonzerns Ukroboronprom "Neptun"-Raketen hergestellt wurden. Mit Raketen dieses Typs war der am Donnerstag gesunkene russische Raketenkreuzer "Moskwa" laut ukrainischen Angaben beschossen worden. Moskau bestätigte diese Angaben nicht und erklärte, dass an Bord des Schiffs Munition explodiert sei.
Am Samstag veröffentlichte das russische Verteidigungsministerium ein Video, das mutmaßliche Überlebende des Untergangs bei einem Treffen mit dem Marinechef zeigen soll. Das Ministerium erklärte zudem, ein ukrainisches Transportflugzeug in der Region Odessa abgeschossen zu haben, das von westlichen Staaten gelieferte Waffen an Bord hatte.
Unterdessen meldeten die ukrainischen Behörden in der zweitgrößten Stadt Charkiw im Osten, dass bei einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnviertel mindestens zwei Menschen getötet und 18 weitere verletzt wurden. Der ukrainische Innenminister Denys Monastyrsky erklärte zudem, dass drei Pioniere beim Räumen von Minen in der Region getötet und vier weitere schwer verwundet worden seien.
A.Weber--NZN