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In die zähen Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas zu einer Feuerpause im Gazastreifen und der Freilassung von Geiseln haben sich am Samstag alle Augen einmal mehr auf Kairo gerichtet. Der dem ägyptischen Geheimdienst nahestehende Fernsehsender Al-Kahera News meldete die Ankunft einer Delegation der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas in der ägyptischen Hauptstadt, wo im Laufe des Tages neue Gespräche stattfinden sollten. US-Außenminister Antony Blinken machte derweil allein die Hamas für die bisherige Verzögerung verantwortlich.
In den indirekten Verhandlungen zwischen der Hamas und Israel seien zuletzt "erhebliche Fortschritte erzielt worden", hieß es am Samstag in dem Fernsehbericht unter Berufung auf Verhandlungskreise. Die ägyptischen Vermittler hätten in den meisten Streitpunkten "eine einvernehmliche Lösung gefunden".
Ein Hamas-Vertreter bestätigte die Ankunft der Delegation unter Leitung von Chalil al-Hajja, der Nummer zwei des Hamas-Politbüros im Gazastreifen. Am Nachmittag sollte ihm zufolge eine erste Verhandlungsrunde unter "der Anwesenheit der Delegationen aus Katar, Ägypten und den Vereinigten Staaten" beginnen. Laut dem Hamas-Vertreter gab es aber noch mehrere Streitpunkte.
Zuvor hatte US-Nachrichtenseite Axios Axios berichtet, der US-Auslandsgeheimdienstchef William Burns sei bereits am Freitagabend in Kairo eingetroffen. Die Vermittler USA, Ägypten und Katar warten seit Tagen auf eine Antwort der Hamas auf den Vorschlag, die Kämpfe im Gazastreifen für 40 Tage einzustellen und israelische Geiseln gegen palästinensische Häftlinge auszutauschen. Die Hamas hatte vor der Abreise ihrer Delegation erklärt, sie habe den Vorschlag in einem "positiven Geist" geprüft und wolle in Kairo nun "eine Einigung erzielen".
US-Außenminister Blinken hatte zuvor den jüngsten israelischen 40-Tage-Vorschlag als "außerordentlich großzügig" bezeichnet. Am Freitagabend machte er die Hamas für die Verzögerung verantwortlich. "Wir warten ab, ob sie tatsächlich ein Ja als Antwort auf die Feuerpause und die Freilassung der Geiseln akzeptieren können", sagte Blinken. "Die Realität derzeit ist, dass das einzige, was zwischen den Menschen im Gazastreifen und einer Feuerpause steht, die Hamas ist."
Blinken wies auf die Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit der Hamas hin, die von den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Die Anführer der Hamas, mit denen die USA indirekt über Katar und Ägypten verhandelten, "leben natürlich außerhalb des Gazastreifens". Die eigentlichen Entscheidungsträger seien aber Hamas-Funktionäre, die im Gazastreifen seien und mit denen "keiner von uns direkten Kontakt hat".
Das "Wall Street Journal" berichtete unter Berufung auf ägyptische Kreise, Israel gebe den Gesprächen über eine Feuerpause noch eine Woche Zeit, andernfalls werde die israelische Armee eine seit Wochen angekündigte Offensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens starten.
Israel zufolge ist die Stadt an der Grenze zu Ägypten die letzte verbliebene Hochburg der Hamas in dem Palästinensergebiet. International stoßen die Pläne auf Kritik. Die westlichen Verbündeten Israels, darunter die USA und Deutschland, haben sich gegen eine Offensive in Rafah ausgesprochen.
In der Stadt im Süden des Gazastreifens haben mehr als eine Million Menschen Zuflucht vor den Kämpfen zwischen Israel und der Hamas gesucht. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte kürzlich erklärt, die Armee werde ungeachtet der internationalen Kritik und unabhängig von einer möglichen Einigung auf eine Waffenruhe ihre Pläne für eine Bodenoffensive in Rafah vorantreiben.
Der Krieg im Gazastreifen war durch den Überfall der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden. Die islamistischen Kämpfer hatten damals israelische Ortschaften überfallen und nach israelischen Angaben etwa 1170 Menschen getötet. Zudem verschleppten sie rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen.
Israel geht seit dem Hamas-Großangriff massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, mehr als 34.600 Menschen getötet.
Unterdessen berichtete die französische Zeitung "Le Monde", militante Palästinensergruppen im Gazastreifen hätten im vergangenen Monat aus Tresoren der Bank of Palestine umgerechnet rund 66 Millionen Euro gestohlen. Wie das Blatt mit Verweis auf ein von der wichtigsten Bank im Gazastreifen an "bestimmte internationale Partner" verschicktes Dokument berichtete, wurde das Geld Mitte April aus mehreren Zweigstellen in der Stadt Gaza entwendet. Eine der Gruppen hat demnach mutmaßlich Verbindungen zur im Gazastreifen herrschenden Hamas.
W.F.Portman--NZN