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Die Proteste gegen den Krieg im Gazastreifen an Hochschulen in Deutschland und anderen europäischen Ländern sind am Dienstag fortgesetzt worden. In Berlin errichteten Demonstrierende ein Protestcamp auf einem Hof der Freien Universität (FU), das am Nachmittag laut Polizei geräumt wurde. Der Lehrbetrieb wurde für den Tag weitgehend eingestellt. In Leipzig besetzten Protestierende das Audimax. Auch in anderen Ländern wie der Schweiz und den Niederlanden fanden Proteste an Hochschulen statt.
Zu dem Camp an der Berliner FU erklärte eine Gruppe mit dem Namen Student Coalition Berlin in einer Mitteilung, dass mit der Aktion gegen den "Völkermord" im Gazastreifen protestiert werden solle. Sie forderte die Universitäten in Berlin unter anderem dazu auf, sich für eine Waffenruhe im Gazastreifen einzusetzen und Israel "akademisch und kulturell" zu boykottieren. Die Gruppe hatte in der vergangenen Woche zu einer Protestaktion an der Humboldt-Universität aufgerufen.
Die Polizei war an der FU mit 200 Einsatzkräften vor Ort, die das Gelände am Nachmittag räumten. Eine Sprecherin sagte, in der Spitze hätten sich bis zu 150 Menschen an den Protesten beteiligt. Es habe vereinzelte Festnahmen gegeben, unter anderem wegen Hausfriedensbruchs oder Volksverhetzung. Einem AFP-Reporter zufolge wurden die Demonstranten teilweise weggetragen, weil sie sich weigerten, den Hof zu verlassen. Es wurde Pfefferspray eingesetzt.
"Diese Form des Protests ist nicht auf Dialog ausgerichtet", erklärte FU-Präsident Günter Ziegler. "Eine Besetzung ist auf dem Gelände der FU nicht akzeptabel - wir stehen für einen wissenschaftlichen Dialog zur Verfügung, aber nicht auf diese Weise."
Die Berliner Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) verurteilte die Aktion als unangemessen. Es sei nun an der Universität zu entscheiden, ob weitere Maßnahmen ergriffen werden müssten. "Antisemitismus muss konsequent verfolgt werden", erklärte Czyborra. "Unsere Hochschulen sind sicher, positionieren sich klar gegen Antisemitismus und gehen dagegen vor - jüdische Studierende können in Berlin sicher studieren."
Aus Sicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, zeigt die gewaltsame Besetzung der FU einen "fanatischen Charakter" der daran beteiligten Gruppierungen. "Der Israel-Hass und der antizionistische sowie antisemitische Hintergrund der Aktion ist offensichtlich und gehört zur DNA dieser Leute", erklärte Schuster. Dass die Universitätsleitung in ihrem Statement kein Wort über diesen ideologischen Unterbau verwende, sei mehr als irritierend.
"Ich hätte eine klare Positionierung gegen den Inhalt dieser Aktion erwartet", kritisierte Schuster. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erklärte im Onlinedienst X: "Unsere Universitäten dürfen niemals Bühnen für Antisemiten, Israelhasser und andere Provokateure sein."
An der Universität Leipzig wurde am Dienstagnachmittag das Audimax besetzt, wie eine Sprecherin mitteilte. Auch der Innenhof war demnach betroffen. Am späten Nachmittag seien 50 bis 60 Besetzer vor Ort gewesen. Die Gruppe Solidaritätsnetzwerk Leipzig teilte mit, die Besetzung erfolge in Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung. Die Polizei war nach eigenen Angaben vor Ort.
In Paris schritt die Polizei am Dienstag zweimal vor dem historischen Gebäude der renommierten Hochschule Sciences Po Paris ein, um pro-palästinensische Versammlungen aufzulösen, wie AFP-Reporter berichteten. Am frühen Vormittag versperrten Mülltonnen den Eingang, etwa zwanzig Studenten waren anwesend. 13 Studenten der Hochschule sind seit der vergangenen Woche im Hungerstreik.
In Amsterdam löste die Polizei in der Nacht zum Dienstag ein Protestlager auf einem Campus auf und nahm 125 Demonstrierende fest. Wie Fernsehbilder zeigten, gingen die Beamten mit Schlagstöcken gegen die Demonstierenden vor und zerstörten ihre Zelte, nachdem diese sich geweigert hatten, den Campus zu verlassen. Der Polizei zufolge hatten die Proteste einen "gewalttätigen Charakter".
In der Schweiz besetzten pro-palästinensische Studenten Hochschulen in Lausanne, Zürich und Genf.
Auch in den USA protestieren Studenten teils massiv gegen die israelische Militäroffensive im Gazastreifen. Diese wurden durch den Überfall der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst.
Die islamistischen Kämpfer überfielen damals israelische Ortschaften und töteten nach israelischen Angaben etwa 1170 Menschen. Darüber hinaus verschleppten sie rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. Israel geht seit dem Hamas-Großangriff massiv militärisch im Gazastreifen vor.
W.Odermatt--NZN