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Im Haushaltsstreit der Bundesregierung macht sich Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) dafür stark, sicherheitsrelevante Ausgaben des Staates von der Schuldenbremse auszunehmen. "Die Schuldenbremse hat verfassungssystematisch keinen Vorrang vor der Aufgabe, Streitkräfte für die Verteidigung aufzustellen", schrieb Pistorius in einem am Donnerstag veröffentlichten Gastkommentar für das "Handelsblatt". "Im Gegenteil, sie muss hinter die elementare Pflicht des Staates, Sicherheit bereitzustellen, zurücktreten."
Das 100 Milliarden Euro umfassende Sondervermögen für die Bundeswehr werde im Laufe dieses Jahres vollumfänglich vertraglich gebunden sein, so der SPD-Politiker. Es reiche aber nicht aus, um auf einen Verteidigungsfall vorbereitet zu sein und kriegstüchtig zu werden. "Ohne eine langfristige, stabile Finanzierung kann weiteres dringend benötigtes Material nicht beschafft werden, die Industrie hat keine Planungssicherheit und wird ihre Kapazitäten nicht weiter hochfahren", schrieb Pistorius. "Dies käme einem Rüstungsstopp gleich."
Es gebe verfassungsrechtlichen Spielraum, um die Schuldenbremse neu zu interpretieren und Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung davon auszunehmen. Das gelte für Rüstungsinvestitionen ebenso wie für Ausgaben für den Bevölkerungs- und Zivilschutz, so der SPD-Politiker. Er mahnte zugleich, die Politik dürfe auf keinen Fall den Fehler machen, Sicherheitsausgaben mit drastischen Kürzungen im Bereich Soziales oder Wirtschaft zu finanzieren. Das würde den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Wirtschaft aufs Spiel setzen.
Bereits am Mittwoch hatte Pistorius am Rande seines USA-Besuchs mit Blick auf die anstehenden Gespräche mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gesagt: "Wir werden in die Tiefe gehen müssen in dieser Diskussion, weil ich fest davon überzeugt bin, dass Sicherheit ein Grundrecht ist, ein Auftrag des Staates ist, den wir zu erfüllen haben." Er betonte: "Wenn wir diese Entscheidungen nicht treffen, gefährden wir die Sicherheit der kommenden Generationen."
Der Auftrag des Staates, Sicherheitskräfte zur Verteidigung aufzustellen, "steht im Grundgesetz", sagte Pistorius in New York. Von daher könne man "nicht per se sagen, dass die Schuldenbremse verfassungsrechtlich ein höheres Gut ist und sich alle anderen Verfassungsgüter oder -aufträge dem unterzuordnen haben", bekräftigte er auch hier. Er wisse, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) "die Notwendigkeit genauso sieht wie ich, dass wir mehr Geld jetzt investieren müssen, damit die Sicherheit auch in zehn Jahren gewährleistet ist". Die Gespräche mit dem Kanzler stünden aber noch an.
Seit Monaten gibt es Streit um den Bundeshaushalt 2025, erwartet werden zähe Verhandlungen. Lindner hatte den Ministerien bis Anfang Mai Zeit gegeben, ihre Etatvorschläge einzureichen. Anfang Juli soll der Haushaltsplan im Kabinett verabschiedet werden, nach der Sommerpause sich das Plenum im Bundestag damit befassen. Neben dem Verteidigungsressort wollen auch andere Ministerien die Sparvorgaben nicht hinnehmen, etwa das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium.
I.Widmer--NZN