DAX
-160.3200
Die russische Armee hat nach ukrainischen Angaben eine massive Bodenoffensive in der Region Charkiw gestartet. Die russischen Streitkräfte hätten am frühen Morgen versucht, mithilfe gepanzerter Fahrzeuge die ukrainischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew am Freitag mit. Die USA billigten unterdessen weitere Militärhilfe im Wert von mehreren hundert Millionen Dollar.
Einem hochrangigen ukrainischen Militärvertreter zufolge stießen die russischen Truppen rund einen Kilometer in ukrainisches Gebiet vor. Das russische Verteidigungsministerium machte zunächst keine Angaben. Sollte der russische Vorstoß bestätigt werden, würde es sich um die größte Offensive Moskaus in der nordostukrainischen Region Charkiw seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 handeln.
Aus dem Verteidigungsministerium in Kiew hieß es, die Angriffe seien "zurückgedrängt" worden, es fänden jedoch weiterhin "Kämpfe unterschiedlicher Intensität" statt. Mehrere Einheiten der Reserve seien in die betroffene Gegend verlegt worden, um die Verteidigung zu stärken. Die ukrainische Zeitung "Ukrainska Prawda" berichtete unter Berufung auf Militärquellen von Kämpfen in mehreren Ortschaften an der russischen Grenze.
Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in einer Pressekonferenz von einem "heftigen Kampf" in der Region Charkiw. Russland habe eine "neue Welle von Gegenoffensivaktionen" gestartet, die Ukraine begegne ihnen mit "Truppen, Brigaden und Artillerie". Es handele sich um einen "heftigen Kampf".
Das ukrainische Verteidigungsministerium erklärte weiter, Russland habe am Vortag mehrere Luftangriffe mit gelenkten Bomben in der Gegend um die Kleinstadt Wowtschansk ausgeführt, die nahe der Grenze zur russischen Region Belgorod liegt. Regionalgouverneur Oleh Synegubow bestätigte verstärkten russischen Beschuss im Norden der Region Charkiw. Seinen Angaben zufolge wurden in Wowtschansk ein Mensch getötet und fünf weitere verletzt. In der Ortschaft Tscherkaski Tyschky sei ein weiterer Mensch getötet. Einem regionalen ukrainischen Behördenvertreter zufolge wurden in Wowtschansk, wo derzeit rund 3000 Menschen leben, und in mehreren nahegelegenen Ortschaften Evakuierungen ausgeführt.
Der für die russisch besetzten Teile der Region Charkiw zuständige, von Moskau installierte Vertreter Witali Gantschew, erklärte im Onlinedienst Telegram, es fänden Kämpfe an "mehreren Abschnitten der Kontaktlinie" statt, "einschließlich der Grenzgebiete".
Ziel der russischen Armee ist es nach Einschätzung eines hochrangigen ukrainischen Militärvertreters, eine "Pufferzone" in den Regionen Charkiw und Sumy zu schaffen, um das ukrainische Militär daran zu hindern, die auf russischer Seite gelegene Region Belgorod weiter unter Beschuss zu nehmen. Über entsprechende Pläne hatte im März bereits der russische Präsident Wladimir Putin gesprochen. In den vergangenen Monaten war die russische Region häufig von der ukrainischen Armee angegriffen worden. Zudem waren pro-ukrainische russische Milizen im März dieses Jahres sowie im August 2023 auf russisches Gebiet vorgerückt.
Das Auswärtige Amt in Berlin rief angesichts der neuerlichen russischen Offensive dazu auf, die "notwendige Unterstützung" für die Verteidigung der Ukraine zu sichern. Der "Mut" der Bevölkerung von Charkiw erfordere "Solidarität", schrieb das Ministerium auf seinem englischsprachigen Profil im Onlinedienst X.
Russland versuchte seit Beginn seiner Invasion im Februar 2022, die Grenzregion Charkiw zu erobern; im Herbst 2022 musste sich seine Armee von dort wieder weitgehend zurückziehen. Doch wie überall an der Front sind es auch in dieser Region seit dem Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive im Sommer 2023 die russischen Streitkräfte, die derzeit die Initiative haben.
Die USA gaben derweil weitere Militärhilfe für die Ukraine im Wert von 400 Millionen Dollar (gut 370 Millionen Euro) bekannt. Die Unterstützung besteht einer Erklärung des Weißen Hauses zufolge unter anderem aus militärischer Ausrüstung und Unterstützung bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten sowie weiteren Dienstleistungen des Pentagon. Die zu liefernden Rüstungsgüter sollen aus Lagerbeständen des US-Verteidigungsministeriums kommen - und somit rasch verfügbar sein.
U.Ammann--NZN