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Rund 300.000 Menschen in Rafah sind nach Angaben der israelischen Armee der Aufforderung gefolgt, die Stadt im südlichen Gazastreifen in Richtung einer "humanitären Zone" zu verlassen. Seit Montag hätten sich etwa 300.000 Menschen aus dem Gazastreifen "auf den Weg in die humanitäre Zone in al-Mawasi" gemacht, erklärte die israelische Armee am Samstag. Die islamistische Hamas veröffentlichte unterdessen erneut ein Video von einer in den Gazastreifen verschleppten Geisel.
Zuvor hatte die Armee die zu evakuierenden Stadtteile in Ost-Rafah im Rahmen ihres Vorgehens gegen die radikalislamische Palästinenserorganisation erweitert. Die Armee forderte die Bewohner von Rafah auf, Gebiete im Osten und im Zentrum der Stadt "unverzüglich" zu verlassen. In der vom israelischen Armeesprecher Avichai Adraee am Samstag auf Arabisch im Onlinedienst X veröffentlichten Aufforderung hieß es, diese seien "in den vergangenen Tagen und Wochen Schauplatz terroristischer Aktivitäten der Hamas gewesen".
Bewohner in Rafah sagten der Nachrichtenagentur AFP, sie seien von der israelischen Armee über X sowie Text- und Sprachnachrichten auf ihren Mobiltelefonen aufgefordert worden, sich in die "humanitäre Zone" in der rund zehn Kilometer entfernten Ortschaft al-Mawasi an der Küste zu begeben.
Auf Bildern in Onlinenetzwerken waren Flugblätter mit der jüngsten Aufforderung zu sehen, welche die Armee nach eigenen Angaben in den betroffenen Gebieten verteilt hatte. Demnach betreffen die Evakuierungen auch Teile des Flüchtlingslagers Schabura sowie die Ortsteile Dschenina und Chirbet al-Adas.
Armeesprecher Adraee zufolge gilt die Evakuierungsaufforderung auch für Menschen in Dschabalija und Beit Lahia im nördlichen Gazastreifen. Zur Begründung hieß es in der separaten Erklärung, sie befänden sich "in einer gefährlichen Kampfzone". "Die Hamas versucht, ihre Fähigkeiten in diesem Gebiet wieder aufzubauen", erklärte Adraee. Daher werde die Armee "mit großer Kraft gegen die terroristischen Organisationen in diesem Gebiet vorgehen".
Die israelische Armee hatte am Montag die Bewohner von Ost-Rafah zum Verlassen des Gebiets aufgefordert. Auch leitete sie nach eigenen Angaben einen Evakuierungseinsatz "von begrenztem Umfang" ein. Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hält ungeachtet des internationalen Drucks an den Plänen zu einer Bodenoffensive in Rafah fest.
Israel sieht Rafah als die letzte Bastion der radikalislamischen Hamas. Der Einsatz zielt israelischen Angaben zufolge zudem darauf ab, die dort vermuteten Geiseln aus der Gewalt der Hamas zu befreien. In der Grenzstadt zu Ägypten haben mehr als eine Million Menschen Zuflucht vor den Kämpfen gesucht.
Das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA äußerte sich auf X "äußerst besorgt darüber, dass diese Evakuierungsaufforderungen sowohl das Zentrum von Rafah als auch Dschabalija betreffen". Das Weiße Haus hatte am Freitag erklärt, es sehe noch keine "größere Bodenoffensive" in Rafah, beobachte die Situation aber "mit Sorge".
Der israelische Militäreinsatz im Gazastreifen war durch den beispiellosen Großangriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober ausgelöst worden. Die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Hamas und weitere militante Palästinensergruppen waren damals in israelische Orte eingedrungen und hatten Gräueltaten an Zivilisten verübt.
Nach israelischen Angaben töteten sie etwa 1170 Menschen, zudem verschleppten sie rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen. 128 Geiseln sind nach israelischen Angaben noch immer in der Gewalt der Hamas und weiterer militanter Palästinensergruppen. 36 von ihnen sollen bereits tot sein.
Israel geht seit dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, inzwischen mehr als 34.900 Menschen getötet.
Am Samstag veröffentlichte der bewaffnete Arm der Hamas erneut ein Geisel-Video. Die im Onlinekanal Telegram veröffentlichte Elf-Sekunden-Aufnahme der Essedine al-Kassam-Brigaden zeigt einen abgemagerten Mann mit geschwollenem Auge vor einer weiß gekachelten Wand, der offenbar unter Zwang spricht. In einem Text darunter ist zu lesen: "Die Zeit läuft ab. Eure Regierung lügt." Um welche israelische Geisel es sich handelt, verlautete nicht.
Israelische Medien äußerten sich zunächst nicht zu dem neuen Clip. Die Hamas hat in der Vergangenheit ähnliche Geisel-Videos veröffentlicht, zuletzt im April. Israel verurteilt diese Veröffentlichungen als psychologische Kriegsführung.
Unterdessen gingen die Kämpfe im Gazastreifen weiter. AFP-Journalisten berichteten am Samstag von israelischen Angriffen vom Süden bis zum Norden des Gebiets. Nach Angaben eines Krankenhauses wurden mindestens 21 Menschen bei Angriffen im Zentrum des Gazastreifens getötet. In Rafah sahen Augenzeugen intensive Luftangriffe nahe des Grenzübergangs zu Ägypten.
Am Freitag hatte die israelische Armee erneuten Raketenbeschuss vom Gazastreifen aus gemeldet. Neun Raketen seien aus der Region Rafah und fünf weitere aus dem Zentrum des Gazastreifens auf die etwa 40 Kilometer entfernte südisraelische Stadt Beerscheva abgefeuert worden, teilte die Armee mit.
A.Wyss--NZN