Goldpreis
10.0000
Nach fast zehnjährigen Debatten können die neuen europäischen Asylregeln in Kraft treten. Die EU-Länder besiegelten die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts (Geas) am Dienstag in Brüssel. Das Paket sieht eine deutliche Verschärfung der Verfahren vor. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einer "wirklich historischen Einigung". Damit gebe es eine deutlich bessere Grundlage für eine "humane Begrenzung von irregulärer Migration".
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) begrüßte die Verabschiedung der zehn Gesetzestexte: "Nach zehnjährigen Verhandlungen und einer tiefen Spaltung der EU in Fragen der Migration zeigen wir jetzt die Stärke und Handlungsfähigkeit Europas", erklärte sie mit Blick auf die Europawahl, die in Deutschland am 9. Juni stattfindet.
Erstmals sieht der Asylpakt Verfahren an den EU-Außengrenzen vor. Migranten mit geringen Aufnahmechancen sollen damit von Grenzlagern aus direkt abgeschoben werden. Auch Familien mit Kindern müssen diese Verfahren durchlaufen. Die Bundesregierung und vor allem die Grünen hatten sich vergeblich für eine Ausnahme eingesetzt. Menschenrechtler warnen vor haftähnlichen Bedingungen in den Lagern.
Zugleich soll es Erleichterungen für Hauptankunftsländer wie Italien oder Griechenland geben. Dafür ist ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus zur Umverteilung von Migranten in Europa vorgesehen. Scholz äußerte sich zuversichtlich, dass dieser Ansatz "auch Länder wie Deutschland und Schweden entlasten wird".
Die EU-Asylagentur hatte vergangenes Jahr rund 1,1 Millionen Erstanträge verzeichnet, den höchsten Stand seit 2016. Fast 330.000 davon entfielen auf Deutschland. Dazu kommen rund 1,1 Millionen Ukraine-Flüchtlinge, die in der Bundesrepublik Zuflucht gefunden haben. Sie sind von den neuen EU-Regeln nicht berührt, da sie besonderen Schutz genießen.
Dafür greifen härtere Vorschriften für andere: So können Migranten künftig in "sichere Drittstaaten" wie Tunesien oder Albanien zurückgeschickt werden, in denen sie dann Asyl beantragen können. Allerdings müssen die Geflüchteten eine Verbindung zu dem Drittstaat haben, in den sie abgeschoben werden - etwa durch Angehörige oder ein Studium.
Das britische "Ruanda-Modell" ist mit den neuen EU-Regeln deshalb vorerst nicht vereinbar. Großbritannien will illegal Eingereiste ab dem Sommer unterschiedslos nach Ruanda abschieben, London hat mit dem ostafrikanischen Land dazu ein Abkommen geschlossen.
In Deutschland wirbt die CDU für ein Vorgehen nach britischem Vorbild. In dem neuen CDU-Grundsatzprogramm heißt es, wer in Deutschland Asyl beantrage, solle zukünftig in einen "sicheren Drittstaat" gebracht werden, ein Asylverfahren durchlaufen - und selbst im Falle eines positiven Bescheids auch dort bleiben.
Die Expertin Camille Le Coz von der Denkfabrik Migration Policy Institute Europe in Brüssel sieht noch "viele Fragezeichen" hinter solchen Vorstößen. Die EU müsse sich genau anschauen, "mit wem die europäischen Behörden zusammenarbeiten können und welche Drittländer dazu bereit sind", sagte sie.
Zuletzt hatte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen Migrationsabkommen mit Ländern wie Tunesien und Ägypten auf den Weg gebracht. Diese sagten im Gegenzug für milliardenschwere Wirtschaftshilfen einen besseren Grenzschutz zu, damit Migranten nicht nach Europa gelangen. Flüchtlingsorganisationen werfen von der Leyen "schmutzige Deals" mit autoritären Staaten vor.
Die neuen Asylregeln treten mit Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Danach haben die Mitgliedsländer zwei Jahre Zeit, sie national umzusetzen. Faeser sagte eine schnelle Anpassung an das europäische Recht zu.
L.Rossi--NZN