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Rund eine Woche nach dem Vorrücken der israelischen Armee in Rafah hat die Europäische Union Israel zu einem sofortigen Ende des Militäreinsatzes in der Stadt im südlichen Gazastreifen aufgerufen. Eine Fortsetzung würde die Beziehungen zur EU "schwer belasten", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch. Die US-Regierung plant derweil trotz anderslautender Drohungen eine weitere Waffenlieferung an Israel im Umfang von rund einer Milliarde Dollar.
Israel dürfe "die ohnehin schon katastrophale humanitäre Lage" im Gazastreifen nicht weiter verschärfen, sagte Borrell. Auch der Grenzübergang Rafah müsse wieder geöffnet werden. Borrell betonte weiter, die EU erkenne zwar das Recht Israels an, sich zu verteidigen, doch müsse Israel dies im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht tun und die Zivilbevölkerung in Sicherheit bringen. Dies sei bei der Evakuierung der Menschen aus Rafah nicht gewährleistet.
Die israelische Armee war in der vergangenen Woche trotz internationaler Warnungen in den Osten Rafahs vorgerückt. Seitdem dauern die Kämpfe zwischen der Armee und der radikalislamischen Hamas in der an der Grenze zu Ägypten gelegenen Stadt an.
In der Grenzstadt zu Ägypten haben mehr als eine Million Menschen Zuflucht vor den seit Oktober andauernden Kämpfen in dem Palästinensergebiet gesucht. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hält ungeachtet des internationalen Drucks an seinen Plänen für eine großangelegte Bodenoffensive in Rafah fest.
US-Präsident Joe Biden hatte wegen Netanjahus Beharren auf den Angriff auf Rafah damit gedroht, die Lieferung von einigen Waffen zurückzuhalten. Zugleich hat die Biden-Regierung betont, dass sie Israels Sicherheit weiter unterstützen werde und den Kongress am Dienstag über eine geplante Militärhilfe für Israel im Volumen von etwa einer Milliarde Dollar (rund 920 Millionen Euro) informiert.
Durch die jüngsten Kämpfe sind laut Angaben des UN-Palästinenserhilfswerks fast 450.000 Menschen aus der Rafah geflohen; am Mittwoch machten sich erneut Tausende auf den Weg. Auch im nördlichen Gazastreifen flohen demnach 100.000 Palästinenser vor den Kämpfen. Laut Einschätzung der UNO befindet sich mittlerweile ein Viertel der 2,4 Millionen Menschen im Gazastreifen auf der Flucht, allerdings gibt den Angaben nach "keine sicheren Orte" mehr.
Der Anblick von verzweifelten Familien, die ihre Habseligkeiten durch die Ruinen kriegszerstörter Städte tragen, rief bei vielen die Erinnerung an die Ereignisse von 1948 wach. In Folge der israelischen Staatsgründung wurden 760.000 Menschen vertrieben oder flohen.
Vor dem Jahrestag der sogenannten Nakba marschierten schon am Dienstag mehrere tausende Palästinenser durch die Ruinen ehemaliger arabischer Dörfer in Nordisrael. "Gaza wird sich nicht den Panzern und Kanonen beugen", riefen sie. Das arabische Wort Nakba bedeutet Katastrophe.
Der an dem Marsch teilnehmende 88-jährige Abdul Rahman al-Sabah erinnerte sich mit Tränen in den Augen an die Ereignisse vor 76 Jahren. Mitglieder der jüdischen Untergrundorganisaton Hagana hätten damals seine Familie vertrieben und anschließend sein Dorf "weggebombt", berichtete er.
Die radikalislamische Hamas erklärte anlässlich des Jahrestages, dass "das anhaltende Leiden von Millionen von Flüchtlingen in Palästina und in der Diaspora direkt auf die zionistische Besatzung zurückzuführen ist". Ihr "legitimes Recht auf Rückkehr in ihre Häuser, aus denen sie vertrieben wurden", könne "nicht beeinträchtigt oder aufgegeben werden".
Der Krieg im Gazastreifen war am 7. Oktober durch einen Großangriff der Hamas auf Israel ausgelöst worden. 1170 Menschen wurden dabei nach israelischen Angaben getötet und rund 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion geht Israel seitdem massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, wurden dabei mittlerweile mehr als 35.200 Menschen getötet.
Die Kämpfe wurden auch am Mittwoch fortgesetzt. Das israelische Militär erklärte, per Flugzeug "etwa 80 Terrorziele getroffen und eliminiert" zu haben, darunter Militärgelände, Raketenwerfer und Waffendepots. Die in den östlichen Gegenden Rafahs kämpfenden Streitkräfte hätten "Terroristen im Nahkampf eliminiert und große Mengen an Waffen ausfindig gemacht".
"Intensive Kämpfe" tobten auch in den Ruinen der Stadt Gaza im Norden, hieß es. Soldaten hätten "eine große Anzahl von Terroristen" in der Stadt Dschabalia getötet und kämpften auch in der Gegend von Zeitun.
Auch der bewaffnete Flügel der Hamas berichtete von Zusammenstößen seiner Kämpfer mit israelischen Soldaten im Bereich Dschabalia. Mindestens fünf Menschen wurden nach Angaben der Zivilschutzbehörde des Gazastreifens in der Nacht auf Mittwoch bei israelischen Luftangriffen in der Stadt Gaza getötet, darunter eine Frau und ihr Kind.
In manchen Gegenden Südisraels nahe der Grenze zum Palästinensergebiet erklangen unterdessen Alarmsirenen. Später gab die Armee Entwarnung und erklärte, sie habe ein aus der Gegend von Dschabalia abgefeuertes Geschoss abgefangen.
U.Ammann--NZN