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Historische Wahlen in Mexiko: Fast hundert Millionen Wahlberechtigte waren am Sonntag zum Urnengang aufgerufen, bei dem aller Voraussicht nach erstmals eine Frau zur Präsidentin des lateinamerikanischen Landes gewählt wird. Klare Favoritin war die Physikerin Claudia Sheinbaum von der regierenden Linken, deren stärkste Rivalin war die Oppositionskandidatin Xóchitl Gálvez. Die Kampagnen zur Präsidentschafts- und Parlamentswahl wurden von massiver Gewalt überschattet.
In den drei Monaten des Wahlkampfs lag die 61-jährige Sheinbaum in allen Umfragen deutlich vor der Mitte-Rechts-Kandidatin Gálvez, die für ein Bündnis aus drei Oppositionsparteien antrat. Das Meinungsforschungsinstitut Oraculus sah Sheinbaum bei 53 Prozent der Stimmen, Gálvez bei 36 Prozent. Für den einzigen Mann unter den Bewerbern, Jorge Álvarez Máynez, wollten demnach nur elf Prozent der Befragten stimmen.
"An diesem 2. Juni werden wir in die Geschichte eingehen", hatte Sheinbaum bei ihrer Abschlusskundgebung zehntausenden Anhängern in der Hauptstadt Mexiko-Stadt zugerufen. "Jetzt ist die Zeit der Frauen und der Veränderung."
Die Einwohner der Hauptstadt kennen Sheinbaum, Enkelin europäischer Juden, aus ihrer Zeit als Bürgermeisterin; bis zur Nominierung als Präsidentschaftskandidatin regierte sie die Millionen-Metropole fünf Jahre lang, von 2018 bis 2023.
Sheinbaum profitiert auch von der Popularität des scheidenden Staatschefs Andrés Manuel López Obrador, der die Linke 2018 in Mexiko an die Macht brachte und nicht mehr für eine zweite Amtszeit antreten darf. "Umarmungen statt Kugeln" lautete Obradors Strategie, welche die ausufernde Kriminalität in Mexiko an der Wurzel bekämpfen soll.
Oppositionskandidatin Gálvez aus dem Mitte-Rechts-Lager ist eine Unternehmerin mit indigenen Wurzeln, ebenfalls 61 Jahre alt. Im Wahlkampf attackierte sie ihre Gegnerin vor allem wegen der Sicherheitspolitik der Regierung und sprach von "186.000 Ermordeten und 50.000 Verschwundenen" in den sechs Jahren unter Obrador.
Mit dessen Sicherheitsstrategie habe es "Umarmungen für Kriminelle und Kugeln für die Bürger" gegeben, warf sie dem scheidenden Präsidenten bei ihrer Abschlusskundgebung vor.
In der zweitgrößten Volkswirtschaft Lateinamerikas ist Gewalt nach wie vor an der Tagesordnung. Auch der Wahlkampf wurde davon überschattet. 25 Kommunalpolitiker wurden ermordet, der letzte am Freitag vor der Wahl im Bundesstaat Puebla.
Seit Beginn eines umstrittenen Militäreinsatzes gegen die Drogenkartelle im Jahr 2006 wurden in Mexiko insgesamt mehr als 450.000 Menschen getötet, weitere 100.000 Menschen gelten als vermisst.
Der Kampf gegen die grassierende Banden- und Drogenkriminalität in Mexiko dürfte auch für die neue Präsidentin die größte Herausforderung sein, sagte Michael Shifter vom Thinktank Dialogo Interamericano mit Sitz in Washington.
Weiteres großes Thema sind die komplexen Beziehungen zum mächtigen nördlichen Nachbarn USA. Aktuell fordert die US-Regierung von Mexiko eine Eindämmung des Handels mit der synthetisch hergestellten Droge Fentanyl, die in den USA eine Opioid-Welle mit tausenden Toten ausgelöst hat. Die mexikanische Regierung hat ihrerseits vor zwei US-Gerichten Prozesse gegen US-Waffenhersteller angestrengt, deren Waffen sie für zahllose Tote im Land verantwortlich macht.
Dauerbrenner im bilateralen Verhältnis ist das ungelöste Problem der irregulären Zuwanderung von Mexiko in die USA. Allein im vergangenen Jahr gab es auf US-Seite nach Angaben der Behörden 2,4 Millionen Festnahmen.
Viel wird für "la presidenta" freilich auch vom Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA abhängen. Am 5. November entscheidet sich, ob es Mexiko noch einmal mit Donald Trump im Weißen Haus zu tun bekommt, der in seiner ersten Amtszeit insbesondere gegenüber Mexiko eine einwanderungsfeindliche Politik verfolgte.
Die Mexikaner entschieden am Sonntag nicht nur über das höchste Staatsamt. Auch Abgeordnetenhaus und Senat werden neu besetzt, in neun Bundesstaaten wurden die Gouverneure gewählt und in zahlreichen Kommunen die Lokalpolitiker. Insgesamt wurde über rund 20.000 Posten abgestimmt - so viele wie bei keiner Wahl zuvor.
Wird Sheinbaum Präsidentin, ist fraglich, ob sie sich noch auf eine Mehrheit im Kongress stützen kann. Bei der Zwischenwahl 2021 hatte ihre Morena-Partei die absolute Mehrheit verloren.
P.E.Steiner--NZN