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Nach dem größten Gefangenenaustausch zwischen Russland und dem Westen seit dem Kalten Krieg hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Freigelassene am Flughafen Köln/Bonn empfangen. Er habe sich ausführlich mit den Eingereisten unterhalten können, was "sehr bewegend" gewesen sei, sagte Scholz in der Nacht zum Freitag. "Viele haben um ihre Gesundheit und auch um ihr Leben gefürchtet", fuhr Scholz fort. Er lobte zudem die internationale Zusammenarbeit.
Russland, Belarus sowie auf der anderen Seite fünf Nato-Staaten, darunter die USA und Deutschland, hatten den Gefangenenaustausch am Donnerstagnachmittag vollzogen. Er betraf insgesamt 24 Inhaftierte - darunter den US-Reporter Evan Gershkovich, aber auch den in Deutschland inhaftierten sogenannten Tiergarten-Mörder - und zwei Minderjährige.
Die Operation habe "nur durch intensive Kooperation mit vielen Ländern Europas und ganz besonders den Vereinigten Staaten vom Amerika über eine ganz lange Zeit" erfolgen können, sagte Scholz. Mit Blick auf den Austausch sagte der Bundeskanzler, er glaube, "dass das eine richtige Entscheidung ist". Wer Zweifel daran habe, verliere diese nach dem Gespräch mit denjenigen, die jetzt in Freiheit sind.
Russland ließ bei dem Austausch 15 Gefangene frei, darunter vier mit deutschem Pass. Auch die Freilassung eines in Belarus zunächst zum Tode verurteilten und später begnadigten Deutschen konnte erreicht werden. Bei den Deutschen handelt es sich nach AFP-Informationen um Kevin Lik, Dieter Voronin, German Moyzhes, Patrick Schöbel und Rico Krieger.
Nach Angaben des russischen Geheimdienstes FSB konnten acht russische Häftlinge und zwei Minderjährige nach Russland zurückkehren. Zu den Häftlingen zählte der sogenannte Tiergarten-Mörder Vadim Krasikow. Er war Ende 2021 zu lebenslanger Haft in Deutschland verurteilt worden, weil er nach Überzeugung des Berliner Kammergerichts im August 2019 einen tschetschenischstämmigen Georgier im Kleinen Tiergarten in der Hauptstadt erschossen hatte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Krasikow den Mord im Auftrag staatlicher russischer Stellen begangen hatte.
Scholz sagte, "niemand hat sich die Entscheidung einfach gemacht, einen zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Mörder nur nach wenigen Jahren der Haft abzuschieben". In diesem Fall habe das staatliche Interesse an der Vollstreckung der Strafe abgewogen werden müssen "mit der Freiheitsgefahr für Leib und in einigen Fällen auch des Lebens unschuldig in Russland inhaftierter Personen und zu Unrecht politischen Inhaftierter".
Für die Bundesregierung sei entscheidend gewesen, "dass wir eine Schutzverpflichtung haben gegenüber deutschen Staatsangehörigen sowie auch die Solidarität mit den USA", sagte Scholz. US-Präsident Joe Biden lobte Deutschland und andere Verbündete für ihre Beteiligung an dem Gefangenenaustausch.
Russlands Präsident Wladimir Putin empfing derweil die freigelassenen Russen in Moskau auf dem Flughafen. "Ich möchte Ihnen zur Ihrer Heimkehr ins Heimatland gratulieren", sagte Putin auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo, wie im russischen Staatsfernsehen zu sehen war. Mehrere freigelassene Russen nahm der Kreml-Chef in den Arm.
In den USA wurden unterdessen ebenfalls Freigelassene erwartet. Sie sollten von Präsident Biden und Vizepräsidentin Kamala Harris begrüßt werden. Biden teilte ein Bild, auf dem der US-Reporter Gershkovich und andere Freigelassene in einem Flugzeug zu sehen sind.
Zu den Freigelassenen gehören auch der frühere US-Soldat Paul Whelan und der russische Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa. Biden sprach von einer "Meisterleistung der Diplomatie", welche die "Agonie" dieser Häftlinge beendet habe.
Enttäuschung gab es jedoch bei den in Deutschland lebenden Angehörigen des Mordopfers des sogenannten Tiergarten-Mörders Krasikow. "Nicht einmal fünf Jahre nach dem Mord" sei der von Kreml-Chef "Putin beauftragte Mörder wieder auf freiem Fuß", erklärten sie nach Angaben ihrer Anwältin Inga Schulz. Die Freilassung von Krasikow sei "eine niederschmetternde Nachricht für uns Angehörige" gewesen".
In der Bundespolitik löste der Gefangenenaustausch derweil unterschiedliche Reaktionen aus. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), erklärte im Onlinedienst X, "manchmal muss man aus Gründen der Menschlichkeit mit dem Teufel einen Deal machen".
Der CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter äußerte hingegen Kritik. "Ich fürchte, dass mit der Freilassung des verurteilten Tiergarten-Mörders ein Präzedenzfall geschaffen wird, der von Russland politisch massiv ausgenutzt werden kann", sagte er dem "Tagesspiegel". Russland sei "ein Terrorstaat, der mittlerweile gezielt versucht, Geiseldiplomatie zu etablieren".
Amnesty International Deutschland erklärte derweil, Putins Missbrauch der politischen Häftlinge als "Faustpfand" hinterlasse einen "bitteren Beigeschmack".
A.Senn--NZN