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Vor der Militärparade in Moskau zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland haben sich die in Mariupol verschanzten ukrainischen Kämpfer auf einen russischen Sturmangriff eingestellt. Nach der Evakuierung hunderter Zivilisten aus dem Asow-Stahlwerk befanden sich in dem Industriekomplex am Sonntag noch hunderte ukrainische Soldaten. Im Osten der Ukraine verstärkte die russische Armee am Sonntag ihre Angriffe, an der Grenze zu Moldau war die Lage laut ukrainischem Generalstab "gespannt".
Das Asow-Stahlwerk ist die letzte Bastion des ukrainischen Militärs im zerstörten Mariupol. Eine Kapitulation schlossen die eingeschlossenen Kämpfer in dem Industriekomplex am Sonntag aber erneut aus. "Aufgeben ist keine Option, weil unsere Leben Russland nicht interessieren", erklärte Ilja Samojlenko, ein Offizier des Asow-Regiments.
Die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk hatte am Samstagabend bekanntgegeben, dass alle wochenlang in dem Stahlwerk eingekesselten "Frauen, Kinder und ältere Menschen" herausgeholt worden seien. Unter den in dem Stahlwerk ausharrenden Soldaten befinden sich laut Samojlenko auch rund 200 verletzte Kämpfer des Asow-Regiments. Der ukrainische Präsident Wolodmyr Selenskyj betonte, seine Regierung arbeite an der Evakuierung der Soldaten.
Die ukrainischen Behörden warnen seit Tagen vor einer verstärkten russischen Offensive rund um den 9. Mai. "Der Feind versucht, den Verteidigern von Asow-Stahl den Rest zu geben, sie versuchen das vor dem 9. Mai zu schaffen als Geschenk an Wladimir Putin", sagte Selenskyjs Berater Olexij Arestowytsch. Auch Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko warnte vor "Raketenangriffen in allen Landesteilen". Für die Städte Odessa und Poltawa wurde eine Ausgangssperre angeordnet.
Russland hatte zuletzt seine Offensive im Süden und Osten der Ukraine massiv verstärkt. Im Dorf Bilohoriwka in der Region Luhansk galten nach einem Luftangriff auf ein Schulgebäude 60 Menschen als vermisst. Es sei davon auszugehen, dass sie tot seien, sagte Luhansks Gouverneur Serhij Gajdaj am Sonntag. Der UN-Krisenkoordinator für die Ukraine, Amin Awad, zeigte sich "zutiefst schockiert" über die Berichte über den Angriff und sprach von einer "weiteren Erinnerung an die Grausamkeit dieses Krieges".
Russland feiert am 9. Mai den Sieg der Sowjetunion über Nazi-Deutschland. Am Samstag hielt das Militär in Moskau die Generalprobe für die Militärparade zum 77. Jahrestag ab. Am Montag werden tausende Soldaten über den Roten Platz marschieren, gefolgt von Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und Raketenwerfern und begleitet von einer Flugshow.
Kreml-Chef Putin wird eine mit Spannung erwartete Rede halten. Mit Blick auf die Ukraine zeigte er sich bereits am Sonntag siegessicher. "Wie 1945 wird der Sieg unser sein", sagte Putin. "Heute kämpfen unsere Soldaten wie ihre Vorfahren Schulter an Schulter für die Befreiung ihrer Heimat vom Nazidreck."
Selenskyj reagierte auf Putins Anti-Nazi-Rhetorik und sagte in einem in Online-Netzwerken veröffentlichten Schwarz-Weiß-Video: Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg sei das "Böse zurück, in einer anderen Uniform, aber mit demselben Ziel."
Dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 77 Jahren und der Opfer des nationalsozialistischen Terrors gedachte Selenskyj am Sonntag in einer Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs der G7. Diese kündigten im Anschluss eine Verschärfung ihrer Sanktionen gegen Russland an. In einer Abschlusserklärung zu dem Online-Gipfel hieß es, alle G7-Staaten hätten sich verpflichtet, ihre "Abhängigkeit von russischer Energie schrittweise zu beenden, auch durch den schrittweisen Ausstieg aus russischem Öl beziehungsweise das Verbot von dessen Einfuhr".
In Kiew empfing Selenskyj am Sonntag erneut westliche Politiker, darunter Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) und Kanadas Regierungschef Justin Trudeau. Trudeau bezeichnete es als "eindeutig", dass Putin in der Ukraine für "abscheuliche Kriegsverbrechen verantwortlich" sei. Auch Bas sprach nach einem Besuch der Kiewer Vororte Irpin und Butscha von "zahlreichen Hinweisen auf Kriegsverbrechen der russischen Streitkräfte".
A.Weber--NZN