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Nach den schwersten Ausschreitungen seit Beginn der wochenlangen Proteste in Sri Lanka ist Regierungschef Mahinda Rajapaksa und mit ihm das gesamte Kabinett zurückgetreten. Rajapaksa legte am Montag bei Präsident Gotabaya Rajapaksa sein Amt nieder, nachdem tausende Anhänger der Rajapaksas Anti-Regierungs-Demonstranten angegriffen hatten. Ein Abgeordneter der Regierungspartei erschoss einen Demonstranten und tötete sich anschließend selbst. Die Behörden verhängten eine landesweite Ausgangssperre und entsandten das Militär.
Der zurückgetretene Regierungschef ist der ältere Bruder von Staatschef Rajapaksa. Unterstützer der beiden Rajapaksas hatten am Montag Regierungsgegner, die seit Wochen größtenteils friedlich in der Hauptstadt Colombo demonstrieren, am Montag mit Stöcken und Knüppeln attackiert, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten.
Die Polizei feuerte Tränengas ab und setzte Wasserwerfer ein, nachdem Regierungsanhänger die Reihen der Polizei durchbrochen hatten, um die Lager von Demonstranten vor der Präsidenten-Residenz zu zerstören. Insgesamt wurden bei den Ausschreitungen in der Hauptstadt laut Krankenhaus-Angaben mehr als 150 Menschen verletzt. Die Behörden verhängten eine landesweite Ausgangssperre.
Amarakeerthi Athukorala, Abgeordneter der regierenden Podujana-Party (SLPP), schoss nach Polizeiangaben auf Demonstranten, die seinen Wagen in der Stadt Nittambuwa blockiert hatten. Dabei verletzte er zwei Menschen schwer, einer starb später. Athukorala floh vom Tatort in ein nahegelegenes Gebäude, das daraufhin von tausenden Demonstranten belagert wurde. Nach Polizeiangaben erschoss er sich darin selbst. Auch der Leibwächter des Parlamentariers wurde tot aufgefunden.
Durch den Rücktritt des Regierungschefs ist in Sri Lanka automatisch das gesamte Kabinett aufgelöst. Laut einem Regierungssprecher schickte der 76-Jährige Mahinda Rajapaksa seinem jüngeren Bruder Gotabaya sein Rücktrittsschreiben. Er habe darin erklärt, den Weg frei zu machen für eine "Allparteienregierung", die das Land aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise führen solle.
Die größte Oppositionspartei hatte allerdings erklärt, nicht Teil einer Regierung zu werden, an dessen Spitze ein Mitglied der Familie Rajapaksa steht.
Angesichts der Ausschreitungen wurde nach Behördenangaben eine Spezialeinheit für den Straßenkampf in den Einsatz beordert, um die Polizei zu unterstützen. Soldaten sind in Sri Lanka seit Wochen im Einsatz, um Lieferungen von Kraftstoff und anderer wichtiger Güter zu beschützen. Bisher hatten sie aber nicht den Auftrag, Auseinandersetzungen auf der Straße zu verhindern.
Die Botschafterin der USA, Julie Chung, verurteilte im Kurzbotschaftendienst Twitter die "Gewalt gegen friedliche Demonstranten" und forderte die Behörden zu "gründlichen Ermittlungen" auf.
Präsident Rajapaksa hatte am Freitag angesichts landesweiter Streiks und Massenproteste erneut den Ausnahmezustand ausgerufen. Zuvor hatte ein landesweiter Streik das öffentliche Leben in dem südasiatischen Inselstaat weitgehend zum Erliegen gebracht. Die Streikenden forderten den Rücktritt der Regierung, die sie für die schwere Wirtschaftskrise im Land verantwortlich machen.
Die Proteste in Sri Lanka dauern bereits seit Wochen an. Präsident Rajapaksa hat trotz des anhaltenden Drucks mehrfach betont, nicht zurücktreten zu wollen. Seit dem 9. April belagern Demonstranten seine Residenz in Colombo.
Das 22-Millionen-Einwohner-Land ist mit der schwersten Wirtschaftskrise seit seiner Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948 konfrontiert. Ein wesentlicher Auslöser war der Einbruch des internationalen Tourismus infolge der Corona-Pandemie. Der Regierung wird außerdem Misswirtschaft vorgeworfen.
A.Weber--NZN