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Nach Überzeugung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sollte im Zuge einer Neuregelung der Sterbehilfe auch ein Suizidpräventions-Gesetz eingeführt werden. "Menschen, die für sich keinen anderen Ausweg mehr sehen, und ihre An- und Zugehörigen dürfen wir nicht sich selbst überlassen", erklärte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. "Suizid-Prävention muss allem anderen vorgehen."
Kurschus fügte mit Blick auf Betroffene hinzu: "Wir wollen sie begleiten und ihnen möglichst Alternativen aufzeigen, ohne ihr Selbstbestimmungsrecht in Frage zu stellen." Der Bundestag diskutiert am Mittwochnachmittag in einer Orientierungsdebatte über das Thema Sterbehilfe.
Auch Diakonie-Präsident Ulrich Lilie plädierte für ein Gesetz zur Prävention. Sie setze "bereits weit vor einem assistierten Suizid an", erklärte er. "Dazu gehören ein Aktionsplan, um Öffentlichkeit und Fachkräfte für das Thema umfassend zu sensibilisieren, sowie ein breites Netz von leistungsfähigen Präventions- und Krisendiensten."
Auch die Caritas äußerte sich zurückhaltend zu möglichen Sterbehilferegelungen. Ihre Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa verwies auf die hohe Zahl von Suiziden bei Menschen über 65. "Diese Realität darf nicht durch eine erleichterte Zugänglichkeit von Suizidhilfe banalisiert und verschärft werden."
Die Caritas forderte daher ebenfalls eine bessere Suizidprävention - gerade auch für ältere Menschen. Ebenso unverzichtbar seien weitere Anstrengungen für einen bedarfsgerechten Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung sowie ausreichend qualifiziertes Personal in der stationären und ambulanten Altenhilfe.
Eine Neuregelung zur Sterbehilfe wird angestrebt, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2020 das bis dahin geltende Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt hatte. Es liegen drei Gesetzentwürfe vor, über die am Mittwoch aber noch nicht entschieden werden soll. Eine von über 80 Abgeordneten unterstützte Vorlage sieht vor, dass geschäftsmäßige Suizidbeihilfe nicht rechtswidrig sein soll, wenn der suizidwillige Mensch "volljährig und einsichtsfähig" ist und sich ärztlich beraten lässt.
Der Vorschlag eines "Suizidhilfegesetzes" sieht den Aufbau eines Netzes von staatlich anerkannten Beratungsstellen vor, die Sterbewillige ergebnisoffen aufklären. Eine weitere Vorlage sieht ein Gesetz zum Schutz des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben vor.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte die Entwürfe allesamt als unzureichend. "Mit keinem der Vorschläge wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts praxistauglich umgesetzt", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) vom Mittwoch. "Die in allen Vorschlägen enthaltende Pflichtberatung wird der vom Verfassungsgericht eingeforderten Autonomie eines Suizidwilligen nicht gerecht", betonte er. Auch verbiete es sich, das Recht auf Hilfe zur Selbsttötung an Leidenskriterien zu knüpfen.
Zwingend erforderlich ist eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe nach Überzeugung von Brysch ohnehin nicht. "Suizidmittel und Angebote der Unterstützung sind vorhanden", argumentierte er. "Wenn das Parlament etwas regeln will, dann muss es das Handeln des Sterbehelfers strafrechtlich in den Fokus rücken."
L.Zimmermann--NZN