Goldpreis
-0.9000
Feuerprobe für künftige EU-Kommissare: In Brüssel haben die ersten vier Kandidaten für das neue Team von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre Anhörungen vor dem Europaparlament überstanden. Befragt wurden am Montag in der ersten Runde der designierte Handelskommissar Maros Sefcovic, der als Kulturkommissar vorgesehene Glenn Micallef aus Malta, der designierte Landwirtschaftskommissar Christophe Hansen aus Luxemburg sowie der Grieche Apostolos Tzitzikostas, der das Verkehrsressort übernehmen soll. Alle vier bekamen grünes Licht von den Abgeordneten.
Der 58-jährige Sefcovic ist bisher als einer der Vizekommissionspräsidenten unter von der Leyen für die Beziehungen zwischen den EU-Institutionen verantwortlich. Auf seinem neuen Posten soll Sefcovic unter anderem im Handelsstreit mit China und über das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten verhandeln.
Während seiner Anhörung äußerte er sich vorsichtig zu heiklen Fragen. So verzichtete er darauf, einen Fahrplan für das Mercosur-Abkommen zu nennen, von dem sich insbesondere Deutschland einen wirtschaftlichen Schub erhofft. "Ich hoffe, dass dieses Abkommen auf einer sehr fairen Basis geschlossen werden kann", sagte Sefcovic mit Blick auf Frankreich, das etwa durch billiges südamerikanisches Rindfleisch Nachteile für seine Bauern fürchtet.
Bei der Anhörung Hansens wurde es emotional. Als er nach der psychischen Belastung von Landwirten gefragt wurde, erzählte der Luxemburger vom Tod seines Bruders, der vergangenes Jahr im Alter von 55 Jahren eine Treppe heruntergefallen sei. "Ich bin sicher, dass es mit vielen Faktoren zusammenhing, die Landwirte betreffen", sagte Hansen - etwa "finanzielle Schwierigkeiten" und Müdigkeit. "Es gibt so viele andere, die Unfälle erleiden, weil sie nicht schlafen können, weil sie nicht einen Moment zur Ruhe kommen", sagte er weiter.
Der Kandidat für den Posten des Verkehrskommissars, Tzitzikostas, sicherte seinerseits zu, die seit langem aufgeschobenen Pläne für ein einheitliches Buchungssystem für Zugreisen im Jahr 2025 vorzulegen. Auch die Anhörung des designierten Kulturkommissars Micallef, mit 35 Jahren der jüngste in von der Leyens Team und relativ unerfahren, verlief reibungslos.
Die 26 Kommissionsanwärterinnen und -anwärter brauchen eine Zweidrittelmehrheit in den zuständigen Parlamentsausschüssen. Erreichen sie diese nicht, müssen sie zusätzliche Fragen beantworten. Danach reicht eine einfache Mehrheit aus. Bei einer besonders schlechten Vorstellung müssen die Regierungen einen Ersatz benennen.
Als Wackelkandidaten gelten unter anderen die Kommissarsanwärter aus Ungarn und Italien. Der bisherige Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi aus Ungarn hatte die EU-Abgeordneten vor eingeschaltetem Mikrofon einmal als "Idioten" bezeichnet. Er habe keinen Respekt für das Parlament gezeigt, sagte etwa die Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Terry Reintke. "Es ist sehr unwahrscheinlich, dass wir für ihn stimmen."
Dennoch könnte er die Anhörung bestehen. Denn fällt er durch, müsste Ungarns Regierungschef Viktor Orban einen neuen Kandidaten für Brüssel benennen. Damit könnte der Rechtsnationalist den für den 1. Dezember geplanten Amtsantritt der gesamten neuen Kommission verzögern - was Europa angesichts der US-Wahl und der Kriege in der Ukraine und in Nahost empfindlich schwächen würde.
Die Fraktionen des Mitte-Links-Lagers im Europaparlament kritisieren zudem, dass mit dem Italiener Raffaele Fitto erstmals ein Rechtsaußen-Politiker einen der Schlüsselposten als geschäftsführender Vizekommissionspräsident bekommen soll. Lehnen sie ihn nach seiner Anhörung in der kommenden Woche ab, riskieren sie allerdings den Posten der Vizepräsidentin aus ihren eigenen Reihen, der spanischen Sozialdemokratin Teresa Ribera, deren Kandidatur anschließend durch das rechte Lager gekippt werden könnte.
Fällt keine Kandidatin und kein Kandidat durch, wollen die Abgeordneten die neue Kommission am 27. November offiziell wählen. Dafür reicht eine einfache Mehrheit in der Plenarabstimmung. Von der Leyens Kommission könnte dann voraussichtlich zum 1. Dezember ihre Arbeit aufnehmen. Die CDU-Politikerin selbst war bereits im Juli vom EU-Parlament wiedergewählt worden.
B.Brunner--NZN