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Mit einer einschneidenden Reform des Wahlrechts wollen Abgeordnete der Ampel-Koalition die Größe des Bundestags beschränken. Ab der kommenden Bundestagswahl soll er nur noch die Regelgröße von 598 Abgeordneten umfassen - Überhangs- und Ausgleichsmandate sollen entfallen. Die weitestgehende Neuerung in dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Vorschlag ist die Einführung einer Ersatzstimme, mit der Wähler ihre Zweitpräferenz zum Ausdruck bringen können. Dieser Mechanismus soll verhindern, dass es Wahlkreise gibt, die über keinen Abgeordneten im Bundestag verfügen.
Ausgearbeitet haben den Vorschlag die Ampel-Abgeordneten Sebastian Hartmann (SPD), Till Steffen (Grüne) und Konstantin Kuhle (FDP). Hartmann bezeichnete den Entwurf als "persönlichen Vorschlag" der drei Abgeordneten, der am Donnerstag zur Diskussion in die Wahlrechtskommission des Bundestags eingebracht werden solle. Die Initiatoren hoffen darauf, dass das Gesetzgebungsverfahren nach der Sommerpause startet und dass die Reform bereits bei der kommenden Bundestagswahl angewendet wird.
Mit der Neuregelung wären "übergroße, teure und nicht arbeitsfähige Parlamente ausgeschlossen", sagte Hartmann. Steffen erläuterte, die Reform würde die "Leistungsfähigkeit des demokratischen Systems" erhöhen. Kuhle warnte vor einem weiteren "Ansehensverlust" des Parlaments, sollte die Reform scheitern.
Die Reform würde im Vergleich zum aktuellen Wahlrecht einige deutliche Veränderungen bewirken: So könnte künftig nicht mehr jeder Kandidat, der in seinem Wahlkreis nach Erststimmen siegt, sicher in den Bundestag einziehen. Zudem hätte der Bundestag stets die gleiche Größe von 598 Abgeordneten. Der derzeitige Bundestag ist durch Überhang- und Ausgleichsmandate auf 736 Sitze gewachsen.
Die wichtigsten Prinzipien bei der Mandatszuteilung sollen aber erhalten bleiben - so etwa der Grundsatz des Verhältniswahlrechts: Der Sitzanteil im Bundestag soll dem Zweitstimmen-Ergebnis einer Partei entsprechen, die Abgeordneten gelangen dann über Listenplätze ins Parlament. Zudem soll die personengebundene Komponente gewahrt bleiben: Die Wählerinnen und Wähler sollen wie bisher über eine Erststimme bestimmte Kandidatinnen und Kandidaten wählen können.
Um diese Prinzipien bei einem gleichzeitigen Wegfall der Überhangs- und Ausgleichsmandate zu wahren, sieht der Vorschlag einen neuen Mechanismus vor: Dieser soll dann über die neu einzuführende Ersatzstimme greifen, wenn das Mandat nicht mehr an den nach Erststimmen erstplatzierten Wahlkreiskandidaten fallen kann.
Ein Beispiel: Eine Partei stehen in einem Bundesland nach Zweitstimmenanteil fünf Mandate zu. Allerdings liegen sechs Kandidaten in ihren Wahlkreisen nach Erststimmen vorne. In diesem Fall würde derjenige der sechs Erstplatzierten, der in seinem Wahlkreise den geringsten Stimmenanteil bekommen hat, das Mandat nicht einnehmen dürfen.
In einem solchen Fall soll aber ein anderer Kandidat aus dem gleichen Wahlkreis in den Bundestag entsandt werden. Um diesen zu bestimmen, sollen der neue Ersatzstimmen-Mechanismus zum Zuge kommen.
Mit der Ersatzstimme sollen die Wählerinnen und Wähler bei der Wahl des Wahlkreiskandidaten eine zweite Präferenz angeben können. Diese Ersatzstimmen sollen nur dann eine Rolle spielen, wenn der erstplatzierte Kandidat in einem Wahlkreis wegen Abschaffung der Überhangmandate nicht zum Zuge kommt.
Dann wird an dessen Stelle derjenige der übrigen Kandidaten in den Bundestag gesandt, der - in absoluten Zahlen - die meisten Erststimmen zuzüglich der Ersatzstimmen in einem Wahlkreis erhalten hat. Erststimmen und Ersatzstimmen werden in diesem Fall einfach addiert - der Kandidat mit der höchsten Zahl erhält das Mandat.
Die Unionsfraktion regierte empört auf den Vorschlag. Die Koalition plane eine Entwertung des Wahlkreis-Gedankens und schüre Politikverdrossenheit, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Außerdem sei es "ganz schlechter Stil der 'Ampel', den Beratungen der Wahlrechtskommission vorzugreifen".
E.Schneyder--NZN