Zürcher Nachrichten - Harris oder Trump: US-Präsidentschaftswahl von historischer Tragweite

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Harris oder Trump: US-Präsidentschaftswahl von historischer Tragweite
Harris oder Trump: US-Präsidentschaftswahl von historischer Tragweite / Foto: Grant BALDWIN - AFP

Harris oder Trump: US-Präsidentschaftswahl von historischer Tragweite

Angesichts des engen Rennens und der historischen Tragweite des Urnengangs in den USA haben die Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump die Menschen am Wahltag eindringlich zur Stimmabgabe aufgerufen. "Geht raus und wählt", beschwor die Demokratin Harris am Dienstag die US-Bürger. Der republikanische Ex-Präsident Trump bezeichnete den Wahltag als den "wichtigsten Tag in der amerikanischen Geschichte". In Washington und andernorts wuchs derweil die Angst vor Unruhen.

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"Wir müssen es schaffen", sagte Harris im Interview mit dem Radiosender WVEE-FM in Atlanta im Bundesstaat Georgia, der zu den umkämpften sogenannten Swing States zählt. "Heute ist Wahltag und die Leute müssen rausgehen und aktiv sein."

Der Tag der richtungsweisenden Präsidentschafts- und Kongresswahl begann mit der Öffnung der Wahllokale in den ersten Bundesstaaten an der Ostküste um 06.00 Uhr (Ortszeit, 12.00 Uhr MEZ). Nach und nach folgten weitere Staaten. Vorab hatten schon mehr als 78 Millionen der insgesamt 244 Millionen wahlberechtigten US-Bürger ihre Stimme bei der Frühwahl in den Wahllokalen oder per Briefwahl abgegeben.

Beide Präsidentschaftskandidaten warben noch am Wahltag unermüdlich um jede Stimme - auch in Online-Netzwerken. "Wenn wir kämpfen, gewinnen wir", schrieb Harris im Onlinedienst X. Heute hätten die Wähler die "letzte Chance, bei dieser Abstimmung etwas zu bewirken". "Gemeinsam werden wir das nächste Kapitel der größten Geschichte schreiben, die je erzählt wurde", fügte die 60-jährige Vizepräsidentin hinzu.

Auch ihr republikanischer Rivale Trump nutzte das Online-Netzwerk für seine Botschaft an die Wähler. Den Wahltag bezeichnete er bei X als den "wichtigsten Tag in der amerikanischen Geschichte".

Der Enthusiasmus der Wähler sei "groß", erklärte Trump getreu seinem Slogan "Make America Great Again". Er bat sie, "Ihre Stimme abzugeben, egal wie lange es dauert". "Bleiben Sie in der Schlange!", beschwor Trump seine Anhänger mit Blick auf den erwarteten Andrang vor den Wahllokalen. "Gemeinsam werden wir einen gewaltigen Sieg erringen und Amerika wieder groß machen", gab sich der 78-jährige Rechtspopulist siegessicher.

Auch nach seiner Stimmabgabe später in Florida äußerte sich Trump "sehr zuversichtlich", wieder ins Weiße Haus einzuziehen. Er habe einen "großartigen Wahlkampf" gegen Harris geführt, sagte er vor Journalisten in einem Wahllokal in West Palm Beach.

Trump versicherte überdies, sollte er die Wahl verlieren, würde er seine Niederlage unter der Bedingung eines fairen Wahlverlaufs anerkennen. "Wenn ich eine Wahl verliere, wenn es eine faire Wahl ist, wäre ich der Erste, der das anerkennt", sagte er und fügte hinzu: "Bislang denke ich, dass sie fair war."

Seine Wahlniederlage gegen den gegenwärtigen demokratischen US-Präsidenten Joe Biden vor vier Jahren hat Trump allerdings bis heute nicht anerkannt. Er beteuert vor seinen Anhängern immer wieder ohne jegliche Beweise, der Wahlsieg sei ihm "gestohlen" worden. Auch mit Blick auf die diesjährige Präsidentschaftswahl hat der Republikaner immer wieder von angeblichen Manipulationsversuchen gesprochen.

Nach der Wahl 2020 hatte Washington infolge Trumps unhaltbarer Betrugsvorwürfe einen Gewaltexzess erlebt. Eine aufgestachelte Menge stürmte am 6. Januar 2021 das Kapitol, den Sitz des US-Kongresses in Washington.

Mit Blick auf mögliche neue Gewaltausbrüche wurden in der Hauptstadt Washington die Sicherheitskräfte verstärkt, Kapitol und Weißes Haus sind mit Metallbarrieren gesichert, zahlreiche Geschäfte und Bürogebäude wurden verriegelt. In mindestens drei Bundesstaaten - Nevada, Washington und Oregon - wurde die Nationalgarde aktiviert. Bei einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus befürchten viele, dass der Rechtspopulist der US-Demokratie schweren Schaden zufügen könnte.

Trumps Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance gab sich nach seiner Stimmabgabe in Cincinnati im Bundesstaat Ohio versöhnlich. "Der beste Weg, die Spaltung im Land zu überwinden, ist, das Land, so gut wie wir können, zu regieren", sagte er vor Journalisten.

Harris und Trump liefern sich in den Umfragen seit Wochen ein Kopf-an-Kopf-Rennen, so dass mit einem äußerst knappen Wahlausgang gerechnet wird. Ergebnisse aus ersten Bundesstaaten werden nach 19.00 Uhr (Ortszeit Washington, Mittwoch 01.00 Uhr MEZ) erwartet. Es ist aber ungewiss, ob die US-Fernsehsender schon in der Wahlnacht einen Gesamtsieger ausrufen können oder ob das Ergebnis so knapp ist, dass länger gewartet werden muss. Bei der Präsidentschaftswahl 2020 stand das Ergebnis erst vier Tage später fest.

Harris verfolgt den Ausgang der Wahl auf dem Campus ihrer ehemaligen Universität, der auch als "das schwarze Harvard" bekannten Howard University in Washington. Die Demokratin könnte die erste schwarze Präsidentin der Vereinigten Staaten werden. Ihre Stimme hat Harris bereits vor ein paar Tagen per Briefwahl in Kalifornien abgegeben. Trump verbringt die Wahlnacht dagegen auf seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida.

Entscheidend für den Wahlsieg dürften die Resultate in den sieben Swing States sein, in denen das Rennen besonders eng ist. Laut der jüngsten Umfrage der "New York Times" und des Siena Instituts liegt Harris zwar in vier der sieben wichtigen Bundesstaaten vorn - in Pennsylvania aber verlor sie demnach an Zustimmung, so dass sie dort nun zuletzt mit Trump gleichauf lag.

Die US-Bürger entscheiden zwischen zwei Kandidaten, die für völlig gegensätzliche politische Konzepte stehen. Harris steht mit beiden Beinen auf dem Boden der US-Verfassung und in der Tradition der US-Demokratie. Bei einer Rückkehr Trumps ins Weiße Haus befürchten viele, dass sich der Rechtspopulist über die Gewaltenteilung hinwegsetzen und damit der US-Demokratie schweren Schaden zufügen könnte.

In der Außenpolitik ist von Harris zu erwarten, dass sie am europafreundlichen Kurs des scheidenden Präsidenten Joe Biden festhält, während Trump den Nato-Beistandspakt wie auch die US-Militärhilfen für die Ukraine in Frage gestellt hat.

O.Pereira--NZN