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Beim Straftatbestand der Beihilfe zur illegalen Einreise sollen Gerichte kommerzielle Schlepper und Helfer mit humanitären oder privaten Gründen nicht über einen Kamm scheren müssen. Das verlange der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, befand am Donnerstag ein richterlicher Rechtsgutachter am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Luxemburger Richter sind daran nicht gebunden, folgen den sogenannten Generalanwälten aber in den allermeisten Fällen. (Az. C-460/23)
Im Streitfall geht es um eine Frau aus der Demokratischen Republik Kongo in Zentralafrika, die mit ihrer Tochter und einer Nichte am Flughafen Bologna nach Italien einreiste. Für alle drei legte sie dabei gefälschten Papiere vor. Später beantragte sie internationalen Schutz. Sie selbst habe Morddrohungen von ihren früheren Lebensgefährten erhalten. Die Mädchen habe sie aus Sorge um ihre körperliche Unversehrtheit mitgenommen.
Vor dem Strafgericht in Bologna wurde sie wegen Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt. Das Gericht fragte beim EuGH an, ob nach der EU-Grundrechtecharta eine solche Beihilfe aus privaten und humanitären Gründen straffrei bleiben muss.
EuGH-Generalanwalt Jean Richard de la Tour betonte zunächst, dass illegale Einreise generell Gefahren für die öffentliche Sicherheit, aber auch für die Flüchtlinge selbst mit sich bringe. Daher sei es nicht unverhältnismäßig, wenn EU-Recht hier einen generellen Straftatbestand vorsehe. Die entsprechende EU-Richtlinie sei mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar.
Dabei müsse das nationale Recht den Gerichten aber die Möglichkeit geben, zwischen unterschiedlichen Motivationen bei der Beihilfe zur illegalen Einreise zu unterscheiden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlange, dass Menschen, die "aus Menschlichkeit oder aus einer Not heraus" handeln, anders behandelt werden als kommerzielle Schlepper. Allerdings könnten solche Motive auch nur vorgeschoben sein, was ebenfalls dafür spreche, auch solche Fälle einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen.
Das abschließende Urteil wird für den kommenden Sommer erwartet. Dabei sind die Luxemburger Richter nicht an die sogenannten Schlussanträge der Generalanwälte gebunden, sie folgen ihnen aber in den allermeisten Fällen.
S.Scheidegger--NZN