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In der SPD wächst der Widerstand gegen eine erneute Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz: Am Sonntag sprach sich erstmals ein Bundestagsabgeordneter öffentlich dafür aus, mit Verteidigungsminister Boris Pistorius an der Spitze in den Wahlkampf zu ziehen. Laut einer Insa-Umfrage will dies auch eine Mehrheit der SPD-Anhänger. Der frühere SPD-Chef Franz Müntefering forderte eine Entscheidung der K-Frage auf einem Parteitag.
"Es ist meine klare Meinung, dass wir mit Boris Pistorius in den Wahlkampf ziehen sollten", sagte der Bundestagsabgeordnete Joe Weingarten der "Süddeutschen Zeitung". "Er hat die Tatkraft, die Nähe zu den Menschen und die Fähigkeit, auch in klarem Deutsch zu sagen, was zu tun ist. Und das braucht unser Land jetzt."
Der 64-jährige Pistorius ist nach Umfragen seit Monaten der beliebteste Politiker in Deutschland. Scholz liegt dagegen weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Angesichts von SPD-Umfragewerten von 15 bis 16 Prozent hatten sich in den vergangenen Tagen bereits einige Kommunal- und Landespolitiker für Pistorius ausgesprochen. Dieser hat aber Ambitionen auf den Posten des SPD-Kanzlerkandidaten bisher zurückgewiesen und sich hinter Scholz gestellt.
Weingarten verlangte nun eine schnelle Entscheidung. Er verwies darauf, dass die Parteiführung am 30. November eine sogenannte Wahlsieg-Konferenz in Berlin abhalten will, auf der Scholz bereits als Kanzlerkandidat gefeiert werden soll. "Es muss jetzt etwas passieren, das kann keine 14 Tage mehr dauern", sagte der Abgeordnete, der in der Bundestagsfraktion dem konservativen Seeheimer Kreis angehört.
Unter den SPD-Anhängern gibt es nach einer Erhebung des Instituts Insa für die "Welt am Sonntag" in der Frage ein klares Meinungsbild: 59 Prozent der SPD-Wähler sprechen sich demnach für Pistorius aus.
Scholz selbst ließ am Sonntag keine Bereitschaft erkennen, vor der Bundestagswahl auf die Kanzlerkandidatur der SPD zu verzichten. "Die SPD und ich wir sind bereit, in diese Auseinandersetzung zu ziehen - übrigens mit dem Ziel zu gewinnen", sagte Scholz vor seinem Abflug zum G20-Gipfel in Brasilien. Bei einer Nachfrage, ob er sich Umstände vorstellen könne, in denen Pistorius der bessere Kandidat sei, verwies er erneut auf diese Aussage.
Zur Entscheidung der K-Frage meldete sich nun aber auch der frühere SPD-Chef Franz Müntefering mahnend zu Wort: "Kanzlerkandidatur ist kein Spiel, das zwei oder mehr Kandidaten abends beim Bier oder beim Frühstück vereinbaren oder das ein Vorrecht auf Wiederwahl umfasst", sagte er dem "Tagesspiegel" (Montagsausgabe). Die Wahl eines Kanzlerkandidaten oder einer Kanzlerkandidatin müsse auf einem SPD-Parteitag erfolgen.
"Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich und kein Zeichen von Ratlosigkeit", betonte der 84-Jährige einstige Vizekanzler und Bundesarbeitsminister. "Sie sind praktizierte Demokratie".
Über die Forderung des Bundestagsabgeordneten Weingarten nach einem Wechsel zu Pistorius hatte am Samstag bereits der "Spiegel" berichtet. Dabei wurden die Äußerungen des Abgeordneten aber indirekt über Teilnehmer aus einer Sitzung des Seeheimer Kreises am Dienstag wiedergegeben. Dem "Spiegel"-Bericht zufolge hatte bei dem Treffen auch der Bundestagsabgeordnete Christian Schreider aus Ludwigshafen darauf verwiesen, dass er Parteimitglieder nicht mehr dazu bringen könne, für Scholz Wahlkampf zu machen.
P.Gashi--NZN