Zürcher Nachrichten - Weitere Eskalation: Massive Luftangriffe mit Streumunition auf ukrainische Energieanlagen

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Weitere Eskalation: Massive Luftangriffe mit Streumunition auf ukrainische Energieanlagen
Weitere Eskalation: Massive Luftangriffe mit Streumunition auf ukrainische Energieanlagen / Foto: Handout - UKRAINIAN EMERGENCY SERVICE/AFP

Weitere Eskalation: Massive Luftangriffe mit Streumunition auf ukrainische Energieanlagen

Russland hat mit massiven Luftangriffen auf die Ukraine landesweiten Raketenalarm ausgelöst und Stromausfälle mit mehr als einer Million Betroffenen tief im Westen des Landes Ukraine verursacht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf der russischen Armee am Donnerstag vor, in einer "verabscheuungswürdigen Eskalation" des Konflikts Energieanlagen mit Streumunition vermint zu haben. Kreml-Chef Wladimir Putin bezeichnete die Angriffe als "Antwort" auf ukrainische Attacken mit ATACMS-Raketen aus den USA.

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Selenskyj erklärte im Onlinedienst Telegram, dass Russland mehrere Energieanlagen durch den Einsatz von Streumunition de facto vermint habe, erschwere "deutlich die Aufgabe unserer Rettungskräfte und unserer Energie-Ingenieure, die die Folgen der Angriffe beheben müssen". Der Einsatz von Streumunition und der Beschuss von ziviler Infrastruktur sei "eine sehr verabscheuungswürdige Eskalation von Russlands terroristischen Taktiken".

Offenbar an die westlichen Partner gewandt drängte Selenskyj, die Ukraine brauche "jetzt" sofort weitere Luftabwehrsysteme.

Nach Angaben der örtlichen Behörden wurden im Westen der Ukraine insgesamt mehr als eine Million Stromkunden von der Energieversorgung abgeschnitten: In der an das Nato-Land Polen grenzenden Region Lwiw waren demnach 523.000 Stromkunden betroffen, in Riwne weitere 280.000 und in der Region Wolyn 215.000 - und das bei winterlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt in weiten Teilen des Landes.

Der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko berichtete im Onlinedienst Facebook von "massiven feindlichen Angriffen" auf die Energieinfrastruktur "in der ganzen Ukraine". Laut dem ukrainischen Energieversorger Ukrenergo wurden Energieanlagen in mehreren Regionen beschädigt. Auch in der Region Kiew wurde nach Behördenangaben wichtige Infrastruktur getroffen, weitere Angriffe gab es in der nordwestlichen Stadt Charkiw und der Schwarzmeer-Metropole Odessa.

Zuvor hatte die ukrainische Luftwaffe landesweiten Luftalarm ausgelöst. Später teilte sie mit, dass Russland die Energieinfrastruktur mit insgesamt 188 Raketen und Drohnen angegriffen habe, von denen die Ukraine viele abgeschossen habe.

Putin sprach von 90 Raketen und 100 Drohnen, die insgesamt 17 Ziele getroffen hätten. "Heute Nacht haben wir umfassende Schläge ausgeführt", sagte der russische Präsident während eines regionalen Gipfels in der kasachischen Hauptstadt Astana. Dies sei "eine Antwort auf fortgesetzte Angriffe auf unser Territorium mit ATACMS-Raketen".

Zugleich versicherte Putin, er wisse, über wieviele ATACMS-Raketen und britische Storm-Shadow-Marschflugkörper die Ukraine verfüge, wo diese sich befänden und wieviele noch geliefert werden sollten.

Russland und die Ukraine haben ihren gegenseitigen Beschuss verstärkt, seit Kiew nach einer von Washington erteilten Genehmigung vergangene Woche erstmals Ziele innerhalb Russlands mit ATACMS-Raketen aus den USA angegriffen hatte. Der Kreml reagierte darauf mit dem erstmaligen Einsatz einer neuartigen russischen Mittelstreckenrakete.

Die Freigabe für den ATACMS-Einsatz gegen Ziele tief in Russland gehören zu den Bemühungen des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden, vor dem Amtsantritt seines Nachfolgers Donald Trump am 20. Januar die Ukraine in eine möglichst gute Position gegen Russland zu bringen.

Trump steht den US-Milliardenhilfen für die ukrainische Armee kritisch gegenüber, der Republikaner möchte den Krieg schnellstmöglich beenden. Kritiker befürchten, dass die Ukraine angesichts ausbleibender Finanz- und Militärhilfe gezwungen sein könnte, auf von Russland besetztes Territorium zu verzichten.

Zu einem schnellen Frieden beitragen soll ein US-Sondergesandter für die Ukraine und Russland. Für den Posten nominierte Trump am Mittwoch den pensionierten General Keith Kellogg, der ihm bereits in seiner ersten Amtszeit als Präsident "in hochsensiblen Funktionen im Bereich der nationalen Sicherheit" gedient habe.

Kellogg hatte sich im April in einem Meinungsbeitrag dafür ausgesprochen, dass sich die USA in einem ersten Schritt offiziell um einen Waffenstillstand und eine Verhandlungslösung für den Ukraine-Konflikt bemühen. Die Ukraine müsse dabei an Friedensgesprächen teilnehmen, um weiter Waffenlieferungen der USA zu erhalten.

Um Putin zur Teilnahme an Friedensgesprächen zu bewegen, sollten der US-Präsident und andere führende Nato-Vertreter Moskau anbieten, die der Ukraine in Aussicht gestellte Nato-Mitgliedschaft "im Gegenzug für ein umfassendes und überprüfbares Friedensabkommen mit Sicherheitsgarantien für einen längeren Zeitraum auszusetzen", führte Kellogg aus.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Donnerstag in Berlin: "Wir müssen und werden alles dafür tun, dass wir endlich zu Friedensverhandlungen kommen." Putin reagiere aber auf alle entsprechenden Vorschläge mit "noch mehr Willkür und Terror". Baerbock versicherte zugleich, dass alle G7-Länder, zu denen auch Deutschland und die USA zählen, "alles dafür tun" würden, dass die Ukraine "ihr Selbstbestimmungsrecht, ihre Souveränität auf ihr Land verteidigen kann".

U.Ammann--NZN