Zürcher Nachrichten - Chef von syrischer Übergangsregierung versichert Respekt für Rechte aller Religionsgruppen

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Chef von syrischer Übergangsregierung versichert Respekt für Rechte aller Religionsgruppen
Chef von syrischer Übergangsregierung versichert Respekt für Rechte aller Religionsgruppen / Foto: Aaref WATAD - AFP

Chef von syrischer Übergangsregierung versichert Respekt für Rechte aller Religionsgruppen

In Syrien will die von der islamistischen HTS-Miliz geführte Übergangsregierung nach Angaben ihres Chefs Mohammed al-Baschir die Rechte aller religiösen Gruppen garantieren. "Gerade weil wir islamisch sind, werden wir die Rechte aller Menschen und aller Glaubensrichtungen in Syrien garantieren", sagte al-Baschir am Mittwoch in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere della Sera". Zugleich rief er die Millionen geflüchteter Syrer im Ausland dazu auf, in ihre Heimat zurückzukehren. Indes erklärte die Baath-Partei des gestürzten syrischen Machthabers Baschar al-Assad, sämtliche Aktivitäten einzustellen.

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Die neuen Machthaber seien bereit, mit jedem zusammenzuarbeiten, solange dieser auf Distanz zu Assad gehe, betonte al-Baschir, der am Vortag zum Chef einer Übergangsregierung ernannt worden war. Auf die Frage, ob die neue Verfassung Syriens islamischer Natur sein werde, antwortete er: "Wir werden alle diese Details während des Verfassungsprozesses klären." In Syrien leben zahlreiche ethnische und religiöse Minderheiten, darunter Kurden, Alawiten, Drusen und Christen.

Die Islamisten hatten zudem Gerechtigkeit für die Opfer von Assads Herrschaft angekündigt. Der Anführer der sunnitischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), Mohammed al-Dscholani, betonte am Mittwoch, es werde keine Begnadigungen für Menschen geben, die an Folterungen von Gefangenen beteiligt waren.

Kämpfer unter der Führung der HTS hatten nach einer Großoffensive am Sonntag Damaskus erobert und Assad gestürzt. Damit bereiteten sie der jahrzehntelangen Herrschaft der Assad-Familie ein Ende, die 1971 mit der Machtübernahme von Baschar al-Assads Vater Hafis al-Assad begonnen hatte. Der Staatschef floh Berichten zufolge nach Russland. Am Mittwoch wurde das Grab von Hafis al-Assad in dessen Heimatstadt Kardaha in Brand gesteckt, wie Aufnahmen der Nachrichtenagentur AFP zeigten.

Assads Baath-Partei stellte ihre Aktivitäten nach eigenen Angaben ein. Dies gelte "bis auf Weiteres", hieß es am Mittwoch in einer auf der Website der Parteizeitung veröffentlichten Erklärung. Die Vermögenswerte und die Gelder der Partei würden unter die Aufsicht des Finanzministeriums gestellt, Fahrzeuge und Waffen sollen nach Parteiangaben an das Innenministerium übergeben werden.

Mit der Machtübernahme durch die Islamisten stürzt Syrien nun ins Ungewisse: Die HTS ist aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida hervorgegangen, hat nach eigenen Angaben aber seit 2016 keine Verbindungen mehr zu Al-Kaida. Ihr Anführer Mohammed al-Dscholani präsentiert sich moderat. Viele westliche Staaten, darunter die USA, stufen die Miliz dennoch als Terrororganisation ein.

Im Interview mit "Corriere della Sera" rief al-Baschir die wegen des Bürgerkriegs ins Ausland geflohenen Millionen Syrer zur Rückkehr in ihr Heimatland auf. "Syrien ist jetzt ein freies Land, das seinen Stolz und seine Würde verdient hat. Kommen Sie zurück", betonte er. Das Land müsse wiederaufgebaut werden, "und wir brauchen die Hilfe aller".

Seit dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 waren sechs Millionen Syrer ins Ausland geflohen - das ist ein Viertel der Bevölkerung. Nach dem Sturz Assads haben Deutschland und mehrere andere europäische Länder ihre Asyl-Entscheidungen für Geflüchtete aus Syrien vorerst auf Eis gelegt. Am Mittwoch ging auch Griechenland diesen Schritt.

Der Flughafen von Damaskus, der mit der Eroberung der syrischen Hauptstadt geschlossen worden war, sollte nach Angaben seines Direktors bald wieder öffnen. Dies solle in den "nächsten Tagen" geschehen.

Der Golfstaat Katar erklärte, schon bald wieder eine Botschaft in Damaskus zu eröffnen und die Beziehung zwischen beiden Ländern zu stärken. Unter der Assad-Regierung waren die Beziehungen abgebrochen worden.

Deutschland will sich nach den Worten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) für einen friedlichen Machtwechsel in Syrien einsetzen. Israel und die Türkei forderte die Außenministerin auf, mit ihrem militärischen Vorgehen in Syrien den Prozess nicht zu gefährden. Die Lage in Syrien sei "alles andere als stabil", betonte Baerbock. Eine zivile Regierung könne nur gelingen, "wenn alle Minderheiten und politischen Gruppen mit am Tisch sitzen". Staatsminister Tobias Lindner wurde zum Sonderkoordinator für Syrien ernannt.

Auch Assads langjähriger Verbündeter Russland rief zu einer schnellen Stabilisierung der Situation in dem Bürgerkriegsland auf. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte weiter, im Hinblick auf die zwei russischen Militärstützpunkte in Syrien sei der Kreml "im Kontakt" mit den neuen Machthabern.

Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei versicherte, dass der Sturz des Verbündeten Assad sein Land nicht schwäche. Der Iran werde "noch mächtiger" werden, betonte er. Weiter warf Chamenei den USA und dem iranischen Erzfeind Israel vor, ein Komplott gegen den syrischen Machthaber geschmiedet zu haben. Offenbar habe auch das syrische Nachbarland Türkei dabei eine "Rolle" gespielt. Ankara unterstützte jahrelang die überwiegend islamistischen Gegner von Assad und verfügt über Streitkräfte im Norden des Landes.

Die Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldeten erneute israelische Angriffe auf Einrichtungen von Assads Militär in den Küstenprovinzen Latakia und Tartus. Türkische Drohnen hätten indessen Militäranlagen der syrischen Regierung nahe Kamischli im kurdisch kontrollierten Nordosten des Landes angegriffen.

Vor einem am Freitag geplanten Treffen der G7-Staaten, bei dem über die Lage in Syrien beraten werden soll, sprach der britische Premier Keir Starmer von Assads Sturz als einem "Wendepunkt für Syrien". "In der Vergangenheit haben wir immer gedacht, dass das, was als nächstes kommt, unbedingt besser ist. Das hat sich nicht bewahrheitet", warnte Starmer.

A.P.Huber--NZN