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Unmittelbar vor der formellen Bestätigung des Siegs von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl durch den Kongress hat der scheidende Amtsinhaber Joe Biden mit mahnenden Worten an die Erstürmung des US-Kapitols durch Anhänger Trumps vor vier Jahren erinnert. Die Ereignisse des 6. Januar 2021 sollten "nicht umgeschrieben" und "nicht vergessen" werden, sagte Biden am Sonntag im Weißen Haus.
Im US-Kapitol kommen am Montag beide Kammern des US-Kongresses zusammen, um den Sieg des 78-jährigen Republikaners Trump bei der US-Präsidentschaftswahl am 5. November formell zu bestätigen. Die offizielle Vereidigung findet am 20. Januar statt.
Auf den Tag genau vor vier Jahren, am 6. Januar 2021, hatte Trump als damaliger Staatschef seine Wahlniederlage gegen Biden nicht akzeptiert. In einer Rede vor Anhängern behauptete der Republikaner damals, von Bidens Demokratischer Partei um den Wahlsieg betrogen worden zu sein, und rief seine Anhänger auf, sie sollten "wie der Teufel kämpfen". Schließlich stürmten etwa tausend fanatische Trump-Unterstützer das Kapitol, wo der republikanische Vizepräsident Mike Pence gerade die Zertifizierungsprozedur leitete. Aus der Menge gab es Rufe "Hängt Pence".
Büros wurden verwüstet, zahlreiche Abgeordnete versteckten sich in Todesangst vor den Schlägern, es gab allein 140 verletzte Polizisten. Vier Menschen starben an jenem Tag, vier Polizisten nahmen sich später das Leben. Der Vorfall gilt als eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der US-Demokratie.
Trump verfolgte die Erstürmung des Kapitols vom Weißen Haus aus im Fernsehen und rief erst nach mehreren Stunden zur Ruhe auf. Nach einigen Stunden konnte der Kongress seine Sitzung fortsetzen.
"Ich denke nicht, dass wir so tun sollten, als ob es nicht passiert wäre", sagte Biden zu Reportern im Weißen Haus. "Ich denke, was er getan hat, war eine echte Bedrohung für die Demokratie", fügte er mit Blick auf seinen Amtsvorgänger und Nachfolger Trump hinzu. "Ich bin aber zuversichtlich, dass wir das hinter uns haben." Biden verwies zugleich auf seine Bemühungen, einen "reibungslosen Übergang" zu gewährleisten. Die USA müssten zu einer "normalen Machtübergabe" zurückkehren.
Im Januar 2021 widersetzte sich der damalige Vizepräsident Pence dem Druck Trumps und bestätigte schließlich den Sieg des Demokraten Biden. Trump wurde im Zusammenhang mit den Vorgängen angeklagt, doch wurde das Verfahren wegen seines jetzigen Wahlsieges eingestellt.
Die Erstürmung des Kapitols hatte in den USA und international für Entsetzen gesorgt. Inzwischen verblassen die Erinnerungen der US-Bürger an die Ereignisse jedoch, eine Mehrheit stimmte bei der Wahl im November für Trump. Viele Mitglieder der republikanischen Partei wollen darüber nicht sprechen. Er schaue "nicht in den Rückspiegel", sagte der Mehrheitsführer im Senat, John Thune. "Das ist vier Jahre her. Ich denke, die Amerikaner leben in der Zukunft."
Zum Schutz vor möglichen Protesten am Montag errichteten die Behörden einen Sicherheitszaun rund um das Kapitol in Washington.
Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sorgte sich derweil vor allem wegen eines bevorstehenden heftigen Schneesturms. "Verlassen Sie nicht die Stadt", appellierte er am Sonntag im Sender Fox News an die Abgeordneten. "Ob es einen Schneesturm gibt oder nicht, wir werden in der Kammer sein und sicherstellen, dass es erledigt wird." Die Trump treu ergebene Republikanerin Marjorie Taylor Greene sagte, sie werde "zum Kapitol laufen, wenn es sein muss".
Bis zu den Ereignissen vom 6. Januar 2021 galt die Bestätigung des Wahlsiegers durch den Kongress immer als reine Formalie. Dabei werden die Stimmen, welche die Wahlleute in den einzelnen Bundesstaaten abgegeben haben, laut verlesen und gezählt. Laut Verfassung führt der Vizepräsident den Vorsitz. Diese Aufgabe kommt damit Kamala Harris zu, die bei der Wahl am 5. November Trump unterlag, und nun offiziell den Sieg ihres Rivalen erklären muss. Anders als der Immobilienunternehmer im Jahr 2021 hat Harris ihre Wahlniederlage öffentlich akzeptiert.
W.O.Ludwig--NZN