Zürcher Nachrichten - Neue Spannungen um "Flaggenmarsch" in Jerusalem

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Neue Spannungen um "Flaggenmarsch" in Jerusalem
Neue Spannungen um "Flaggenmarsch" in Jerusalem / Foto: Ahmad GHARABLI - AFP

Neue Spannungen um "Flaggenmarsch" in Jerusalem

Der umstrittene "Flaggenmarsch" ultranationalistischer Israelis in Jerusalem hat am Sonntag neue Spannungen ausgelöst. Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen beteiligten sich am Nachmittag tausende Menschen an dem Marsch in der Altstadt von Jerusalem. Bereits vor Beginn lieferten sich Palästinenser Auseinandersetzungen mit israelischen Polizisten, die den Zugang zum Tempelberg bewachten.

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Die Sorge war groß, dass Ultranationalisten bei dem Marsch auch den Tempelberg betreten könnten. Die israelische Polizei war in erhöhter Alarmbereitschaft. Rund 3000 Polizisten wurden vor Beginn des umstrittenen Marschs mobilisiert, mit dem nationalistische Israelis an die israelische Besetzung von Ost-Jerusalem im Sechs-Tage-Krieg 1967 erinnern.

Rund 2600 Nicht-Muslime und damit mehr als sonst besuchten am Morgen den Tempelberg, unter ihnen neben den Touristen auch viele Juden. Die Polizei berichtete von vereinzelten Konfrontationen und Festnahmen.

Nach ihren Angaben hatten einige Juden gegen die "Besuchsregeln" auf dem Tempelberg verstoßen, Palästinenser reagierten daraufhin mit Steinwürfen. Bei vereinzelten Zusammenstößen in der Altstadt wurden nach Angaben des palästinensischen Roten Halbmonds 24 Menschen verletzt.

Für Muslime ist der Hügel mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee die drittheiligste Stätte nach Mekka und Medina. Doch auch das Judentum verehrt den Tempelberg als seinen allerheiligsten Ort.

Der Tempelberg steht unter muslimischer Verwaltung; um Provokationen zu vermeiden, dürfen Juden - wie andere nichtmuslimische Besucher - den Tempelberg zwar zu bestimmten Zeiten besichtigen, aber dort nicht beten.

Über die Sicherheit des Geländes wacht die israelische Polizei. Nationalistische Israelis brechen jedoch immer wieder bewusst das Gebetsverbot.

Zu den israelischen Besuchern des Tempelbergs gehörte am Vormittag auch der für seine Provokationen bekannte rechtsradikale Abgeordnete Itamar Ben Gvir. Er habe mit seinem Besuch zeigen wollen, dass Israel die Souveränität auch über den Tempelberg habe, sagte er anschließend.

Im vergangenen Jahr hatte es rund um den Jerusalemtag schwere Zusammenstöße zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern in Ost-Jerusalem gegeben. Die Krawalle mündeten in eine elftägige Gewalteskalation mit gegenseitigem heftigen Raketenbeschuss zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Bewegung. Dabei wurden mehr als 270 Menschen getötet, die meisten davon Palästinenser.

Palästinensergruppen warnten die Teilnehmer des diesjährigen "Flaggenmarschs" davor, den Tempelberg zu betreten. "Wir werden nicht zögern, alle denkbaren Mittel einzusetzen, um ein 'mögliches' Eindringen in unsere heiligen Stätten zu stoppen", erklärte Ghasi Hamad vom politischen Büro der radikalislamischen Hamas. Israel werde dann "einen hohen Preis zahlen".

Israel hatte den Ostteil von Jerusalem 1980 annektiert. Die Annexion wird international nicht anerkannt. Israel hat ganz Jerusalem zu seiner "unteilbaren" Hauptstadt erklärt, während die Palästinenser Ost-Jerusalem zur Hauptstadt des von ihnen angestrebten eigenen Staates machen wollen.

Der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern hatte sich in den vergangenen Wochen wieder verschärft. Seit März wurden bei anti-israelischer Gewalt durch Palästinenser und arabische Israelis 19 israelische Zivilisten getötet.

Die israelischen Sicherheitskräfte reagierten mit Einsätzen in Israel und im von Israel besetzten Westjordanland - vor allem in der Gegend um Dschenin, einer Hochburg bewaffneter Palästinensergruppen.

Dabei starben drei israelisch-arabische Angreifer, ein Polizist sowie 35 Palästinenser in Israel und im Westjordanland. Unter den Toten waren Mitglieder bewaffneter Gruppen, aber auch Zivilisten sowie die Journalistin Schirin Abu Akleh, die erschossen wurde, als sie über einen Armeeeinsatz in Dschenin berichtete.

W.O.Ludwig--NZN