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Viereinhalb Monate nach seinem Rückzug als AfD-Chef hat sich Jörg Meuthen der Deutschen Zentrumspartei angeschlossen. Den Eintritt in die seit Jahrzehnten bedeutungslose Partei begründete er damit, dass diese "konservativ, aber nicht reaktionär" sei. Sie sei "patriotisch, aber vollkommen frei von dumpfem Nationalismus", sagte er in Abgrenzung zur AfD, die seiner Ansicht nach "ihren Weg in die politische Versenkung fortsetzen" werde. Meuthen war sechseinhalb Jahre AfD-Vorsitzender.
"Für radikales oder gar extremistisches Gedankengut gab es in der Zentrumspartei noch nie Platz", sagte der 60-Jährige weiter. Das werde auch so bleiben, die Partei werde "definitiv nicht zu einem Sammelbecken ehemaliger AfD-Mitglieder". Jeder Aufnahmeantrag werde streng geprüft.
Es gebe in der politischen Mitte Deutschlands eine "riesengroße Repräsentationslücke", die er mit der Zentrumspartei ansprechen wolle, sagte der Europa-Abgeordnete. Er habe sich "ganz bewusst gegen die Gründung einer neuen Partei entschieden", da er die Erfolgsaussichten dafür immer für sehr gering gehalten habe. Meuthen verwies auf das Scheitern entsprechender Initiativen von Seiten der früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke sowie Frauke Petry.
Die 1870 gegründete Zentrumspartei hatte im Kaiserreich und in der Weimarer Republik als Vertreterin der politischen Katholizismus eine wichtige Rolle gespielt. In der Weimarer Republik stellte sie mehrfach den Reichskanzler. In der Bundesrepublik hatte sie dann aber schnell an Einfluss verloren, weil sich ein großer Teil ihrer Basis der neu gegründeten CDU zuwandte.
Seit Januar ist sie erstmals seit 1957 wieder mit einem Abgeordneten im Bundestag vertreten: Der Parlamentarier Uwe Witt wechselte nach seinem AfD-Austritt zur Deutschen Zentrumspartei. Mit Meuthen hat die Partei nun erstmals einen Vertreter im EU-Parlament.
Bundesgeschäftsführer Hans-Joachim Woitzik gab die aktuelle Mitgliederzahl der Partei mit gut 500 an. Anfang des Jahres habe sie noch bei 300 gelegen, sagte er. Durch den Beitritt Meuthens "dürfte sich die dynamische Entwicklung weiter fortsetzen", so Woitzik.
Der Parteivorsitzende Christian Otte sagte, die Zentrumspartei wolle bei der Landtagswahl im Herbst in Niedersachsen antreten. "Weitere Ausrufezeichen" wolle sie bei der Europawahl 2024 und der Bundestagswahl 2025 setzen. Die Zentrumspartei hat seinen Angaben zufolge die Wählerklientel von Union und FDP, aber auch konservative Sozialdemokraten im Visier.
Zur Bundestagswahl im vergangenen September war sie allerdings nicht zugelassen. Meuthen sagte, das werde "kein zweites Mal vorkommen". Er betonte: "Wir wollen in die Parlamente rein."
Aufgefallen war die Zentrumspartei vor einigen Jahren mit radikalen Abtreibungskampagnen. Diese radikalen Ansichten teile die Partei heute nicht mehr, sagte Otte. Sie habe "überhaupt kein Problem mehr mit der aktuellen Gesetzeslage" zu Abtreibungen.
Meuthen hatte seinen Austritt aus der AfD Ende Januar damit begründet, dass er "ganz klar totalitäre Anklänge" bei der Partei sehe. Die AfD stehe nicht mehr "auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Er war sechseinhalb Jahre Parteivorsitzender. In dieser Zeit hatte er zunächst die Nähe der Rechtsaußen-Kräfte in der Partei gesucht, bevor er sich offen gegen sie stellte.
L.Rossi--NZN