SDAX
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Der seit Jahren stockende Prozess der Integration von Westbalkan-Staaten in die EU könnte nach Einschätzung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Fahrt aufnehmen. Angesichts der mit dem russischen Angriffskrieg verbundenen "großen Veränderungen" gebe es eine "neue Bereitschaft bei vielen Mitgliedstaaten", den "Weg des westlichen Balkans in die Europäische Union aktiver zu unterstützen, als das für viele Jahre lang der Fall war", sagte Scholz zum Abschluss seiner mehrtägigen Balkan-Reise am Samstag in Sofia.
Mit Blick auf die bulgarische Blockadehaltung gegenüber EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien sagte Scholz, es sei nun der "Moment für klare Worte". Die "vielen Einwände, die da wechselseitig sich über viele Jahre hin aufgebaut haben" müssten "weggepackt werden".
Nordmazedoniens Regierungschef Dimitar Kovacevski warf Bulgarien unterdessen vor, neben seinem Land auch das benachbarte Albanien auf seinem Weg in die EU zu blockieren. Es gebe "einen EU-Mitgliedstaat", der "zwei Kandidatenländer, Nordmazedonien und Albanien, als Geisel auf ihrem Weg zur Integration in die EU hält", sagte Kovacevski bei einem Treffen mit Scholz in Skopje.
Nordmazedonien ist schon seit 2005 EU-Beitrittskandidat. Bis heute sind die konkreten Verhandlungen über die EU-Mitgliedschaft aber nicht aufgenommen worden. Dazu wäre ein einstimmiger Beschluss der Mitgliedstaaten notwendig. Nachdem zunächst Griechenland nach jahrelanger Blockade eine Änderung des Staatsnamens durchgesetzt hatte, verlangt Bulgarien nun, dass Nordmazedonien zuerst bulgarische Wurzeln in seiner Sprache, Bevölkerung und Geschichte anerkennt.
Der bulgarische Ministerpräsident Kiril Petkow zeigte sich nach seinem Treffen mit Scholz am Samstag in Sofia zwar gesprächsbereit, bekräftigte aber mehrere Bedingungen. So müsse in der nordmazedonischen Verfassung festgeschrieben werden, dass die Bulgaren "konstituierende Nation" des Nachbarlandes seien. Auch der 2017 geschlossene Nachbarschaftsvertrag müsse von Skopje umgesetzt werden. Hier beklagt Sofia regelmäßig die Diskriminierung einer bulgarischen Minderheit in Nordmazedonien.
R.Bernasconi--NZN