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Nach langem Zögern hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag gemeinsam mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi seinen ersten Besuch in der Ukraine seit der russischen Invasion angetreten. Die Staats- und Regierungschefs erreichten Kiew am Morgen mit dem Zug und besuchten dann zunächst den Vorort Irpin. Scholz kündigte an, die Unterstützung für die Ukraine bei der Verteidigung gegen Russland werde so lange fortgesetzt, "wie es nötig ist".
Ziel der Reise sei es, der Ukraine "ein klares Signal der Solidarität Europas zu übermitteln", erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Der "Bild" sagte Scholz, es gehe nicht nur darum, Solidarität zu demonstrieren, sondern auch um die konkrete Zusicherung von Unterstützung - "finanziell, humanitär, aber auch, wenn es um Waffen geht".
Scholz, Macron und Draghi besuchten gemeinsam mit Rumäniens Präsident Klaus Johannis, der separat angereist war, zunächst den Kiewer Vorort Irpin. Dort und in weiteren Städten der Region waren während der russischen Besetzung im März hunderte Zivilisten getötet worden. Derzeit laufen internationale Ermittlungen, um die Schuldigen für diese Kriegsverbrechen zu ermitteln.
Der Besuch der Staats- und Regierungschefs der drei bevölkerungsreichsten EU-Länder war lange erwartet worden. Die ukrainische Regierung äußert seit Kriegsbeginn immer wieder scharfe Kritik an der Bundesregierung und vor allem an der aus ihrer Sicht zu zögerliche Haltung in der Frage der Waffenlieferungen.
Ein Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war von Kiew mit Verweis auf dessen frühere Russland-Politik in einem diplomatischen Affront zunächst abgelehnt worden. Dass Scholz mit seinem Besuch in Kiew lange wartete, wurde dennoch vielfach kritisiert.
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko zeigte sich nun erfreut über die Visite. "Das ist ein Zeichen großer Unterstützung in einer Zeit, in der es immer noch ein Risiko ist, Kiew zu besuchen, denn es können weiter jederzeit Raketen einschlagen", sagte er der "Bild".
Macron hatte am Vortag bei seinem Besuch auf einem Nato-Stützpunkt in Rumänien gesagt: "Wir müssen als EU politische Signale an die Ukraine senden (...) und zwar noch vor dem EU-Gipfel, der wichtige Dinge zu beschließen hat." Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs kommen nächste Woche in Brüssel zusammen, um unter anderem über den Beitrittsantrag der Ukraine zu beraten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beharrt darauf, dass sich sein Land durch die Verteidigung der "Werte" Europas gegen die russische Aggression das Recht auf einen Beitritt zur Europäischen Union verdient habe. Die EU-Kommission will womöglich am Freitag eine Empfehlung dafür abgeben, dass die Ukraine den Status eines Beitrittskandidaten erhält. In Brüssel wird allerdings mit einem Kandidatenstatus unter Auflagen gerechnet.
Das Sagen haben dann ohnehin die Mitgliedstaaten - und die sind gespalten. Macron kündigte bei seiner Ankunft in Kiew zwar "eine Botschaft der europäischen Einheit" an. Frankreich gilt neben den Niederlanden, Dänemark und Portugal allerdings als Skeptiker bei der EU-Perspektive Kiews. Auch Scholz hatte sich dazu bisher verhalten geäußert, während Draghi wie auch viele östliche EU-Staaten offen für die EU-Osterweiterung plädiert.
Erwartet wurden auch weitere Zusagen von Waffenlieferungen für die ukrainische Armee im Kampf gegen die russischen Truppen. Die USA hatten am Mittwoch ein weiteres Hilfspaket von einer Milliarde Dollar (960 Milliarden Euro) für Kiew angekündigt. Damit stieg der Wert der angekündigten US-Waffenlieferungen seit Beginn der russischen Invasion auf insgesamt 5,6 Milliarden Dollar.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, schraubte die Erwartungen an Deutschland noch einmal nach oben. Die Ukrainer hofften darauf, dass die Bedeutung von Scholz' Besuch nicht nur "symbolisch", sondern "bahnbrechend" sei, sagte er der Online-Ausgabe der "Rheinischen Post". Die militärische Hilfe Deutschlands müsse "auf ein qualitativ neues Niveau" gehoben werden.
I.Widmer--NZN