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Der Streit in der Ampel-Koalition um den Haushalt für 2023 spitzt sich zu. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) pochte in der "Welt am Sonntag" erneut auf die Einhaltung der Schuldenbremse und stellte staatliche Zuschüsse etwa für Elektroautos in Frage. "In Krisenzeiten ist Sparpolitik das falsche Instrument", erklärte dagegen der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler. Grünen-Chefin Ricarda Lang warnte vor Kürzungen im Sozialbereich.
Der Haushalt für das kommende Jahr soll am 1. Juli vom Kabinett beschlossen worden. Ursprünglich war dies für den Mittwoch der Vorwoche geplant gewesen. Wegen der Meinungsverschiedenheiten zwischen FDP, Grünen und SPD wurde der Beschluss bereits vertagt. An diesem Mittwoch dürfte im Koalitionsausschuss versucht werden, die Differenzen beizulegen.
Lindner machte milliardenschwere Forderungen anderer Kabinettsmitglieder für die Probleme verantwortlich. In der "Welt am Sonntag" drang er zudem auf ein Ende der Kaufprämien für Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride. Im sozialpolitischen Bereich warf er der SPD vor, mit dem geplanten Bürgergeld als Ersatz für Hartz IV "eine Erhöhung des Umverteilungsniveaus" bewirken zu wollen.
Der Staat müsse die Politik auf Pump beenden", forderte Lindner. "Ab jetzt muss das Erwirtschaften des Wohlstands wieder wichtiger sein als das Verteilen." Der Finanzminister warnte auch vor milliardenschweren Mehrkosten durch steigende Zinsen.
Zugleich forderte er selbst allerdings erneut Steuersenkungen in Milliardenhöhe. "Die Menschen müssen wir so gezielt entlasten, dass aus dem Verlust an Kaufkraft keine soziale Härte wird und keine Spirale von steigenden Löhnen und Preisen", sagte Lindner. Je kraftvoller dies geschehe, "desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Inflation begrenzen".
FDP-Fraktionschef Christian Dürr verlangte in der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe) sogar, den Steuertarif automatisch an die Inflation anzupassen. Im "Tagesspiegel" warnte er zudem SPD und Grüne vor "neuen Ausreden" bei der Schuldenbremse. Trotz der Streitigkeiten sagte er aber auch: "Bei den Etatverhandlungen sind wir auf einem guten Weg."
"In Zeiten der Not setzt man nicht den Rotstift an und suggeriert Normalität, sondern geht die Krisen entschlossen an", forderte dagegen Kindler in Berlin. Die aktuelle Inflation liege vor allem an einem verknappten Angebot durch gestörte Lieferketten, erklärte der Grünen-Politiker. "Diese Engpässe müssen wir durch gezielte Investitionen auflösen", statt sie durch Sparen noch zu vergrößern.
Allerdings sieht auch Kindler Einsparpotenziale, und zwar bei Subventionen für Dienstwagen und Flugindustrie sowie beim Bau von Autobahnen. Steuersenkungen seien aber nur dann sinnvoll, wenn Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen durch eine höhere Besteuerung von Spitzenverdienern gegenfinanziert würden.
"Wenn wir beim Sozialen sparen, gleiten womöglich noch mehr Menschen in Armut ab", warnte Grünen-Chefin Lang im Onlinedienst Twitter. "Das gefährdet die Grundlagen unserer Demokratie." In der "Bild am Sonntag" drang Lang auf weitere Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger. Der Hartz-IV-Regelsatz solle "um rund 50 Euro ansteigen". Dürr erteilte dem in "Bild" umgehend eine Absage.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, die Schuldenbremse 2023 erneut auszusetzen, um sozialpolitische Vorhaben der Ampel-Koalition finanzieren zu können.
Der Linken-Finanzpolitiker Christian Görke forderte in Berlin, die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel wegen der hohen Preise komplett auszusetzen.
A.Senn--NZN